Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 54. Der Untergang der geistigen Kultur in Spanien 
Glaube nur daran, daß er im Mutterleibe einer Jungfrau Fleisch ge 
worden, wie dies schon fünfhundert Jahre früher dem kleingläubi 
gen König Ahas verheißen worden sei“ (Jes. 7, i4). Weiter sucht 
der Brief Schreiber seinen ehemaligen Freund davon zu überzeugen, 
daß im Kirchenbrot der Leib Christi zugegen sei, und lehrt ihn, wun 
dertätige Reliquien zu fabrizieren: „Gehe ins Tal, sammle dort 
menschliche Gebeine, und sie werden dir allerlei Wunder offenbaren“. 
Das Schreiben schließt mit dem „Segen“: „Der Messias Jesus, den du 
erwählt, möge dir gnädig beistehen; er und kein anderer gebe dir 
Frieden und Glück!“ Das Sendschreiben des Profiat Duran wurde 
in vielen Abschriften verbreitet und führte die katholischen Zensoren, 
denen sein verschleierter Spott zunächst entgangen war, zu der irri 
gen Annahme, daß der Verfasser jenen jüdischen Neophyten zuzu 
zählen sei, die damals ihre Glaubensgenossen nicht selten zur Befol 
gung ihres Beispiels zu überreden suchten. Als die getäuschten Mis 
sionseiferer schließlich ihren Irrtum eingesehen hatten, befahlen sie, 
alle Abschriften des „gotteslästerlichen“ Sendschreibens schleunigst 
zu vernichten. Einer in ernsterer Form gehaltenen antichristlichen 
Polemik befleißigte sich Profiat Duran in einer anderen Schrift: 
„Bloßstellung der Andersgläubigen“ (Kelimath ha’goim), die er auf 
Anregung des Philosophen Chasdai Crescas verfaßte. Er führte darin 
den geschichtlichen Beweis, daß Christus sich nie als Gott ausgegeben 
habe und erst die späteren Kirchenlehrer ihn zu vergotten begonnen 
hätten. Seinen Grundauffassungen nach der Rationalistenschule ver 
wandt, verfaßte Duran auch einen vortrefflichen Kommentar zu der 
Bibel des jüdischen Rationalismus, zum „Führer“ des Maimonides. 
Überdies schrieb er noch ein Werk über Grammatik („Maasse Efod“) 
und über das Kalenderwesen („Choscheb ha’efod“) sowie einen chro- 
nographischen Bericht über die Verfolgung der Juden in verschiede 
nen Ländern, doch ist uns dieser letztere zum großen Schaden für die 
Historiographie nicht erhalten geblieben. 
Neben Profiat Duran stellte sich in den Dienst der wichtigsten 
Zeitaufgabe, der Widerlegung des Christentums, noch eine Schar 
anderer kampfesfroher Schriftsteller, die wohl als die Publizisten die 
ser Epoche bezeichnet werden können. Es entstand eine Reihe von 
Werken mit kriegerisch anmutenden Titeln, wie etwa: „Bogen und 
Schutzwehr“, „Schild und Speer“ u. dgl., d. h.: Abwehr und Angriff, 
Apologie und Polemik. Der Verfasser einer dieser Schriften war der
	        
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