Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
mündlichen Diskussionen mit den kirchlichen Terroristen kein Raum 
war, fand um so weiteren Spielraum in der schriftlichen Polemik. 
Hierbei traten als Verfasser der antichristlichen Werke nicht selten 
Männer auf, die selbst unter den Schrecken des Gewissenszwanges 
aufs schwerste gelitten hatten. 
Ein solches Opfer der Religionsnot war z. B. der Philosoph und 
Grammatiker Isaak ben Moses Halevi, der mehr unter seinem spani 
schen Namen Profiat Duran oder unter seinem literarischen Pseudo 
nym Efodi bekannt ist. Die Katastrophe des Jahres 1891 ereilte ihn 
in Katalonien, wo er zugleich mit seinem Freunde David Bonet Buen- 
Giorno zum Scheine die Taufe annahm. Die Freunde gelobten ein 
ander, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zusammen nach Palä 
stina zu ziehen, um dort „zu ihrem Volke zurückzukehren“. Profiat 
Duran begab sich denn auch bald nach einer der südfranzösischen 
Küstenstädte und wartete dort auf seinen Freund, um die Reise fort 
zusetzen. Nach langem vergeblichem Harren erhielt er indessen ein 
Schreiben, in dem ihm Bonet mitteilte, er hätte sich unter dem Ein 
fluß des Apostaten Paul von Burgos zum Festhalten am katholischen 
Glauben entschlossen, und seinen Freund zugleich zu überreden 
suchte, seinem Beispiel zu folgen. Hierauf richtete der entrüstete 
Duran an den Verräter ein Antwortschreiben voll verschleierten Hoh 
nes, in dem jeder Satz mit den Worten anfing: „Al tehi ka’abotecha“ 
(„Sei nicht wie deine Väter“). „Sei nicht — so schrieb er mit beißen 
der Ironie — wie deine Väter, die da an die einfache Einheit Gottes 
glaubten, ihn des Attributes der Vielheit beraubten und das Wort 
,Höre, Israel, Gott ist einzig* im buchstäblichen Sinne auslegten. Nein, 
glaube lieber, daß Gott zugleich einzig und dreifältig, daß drei gleich 
eins und eins gleich drei ist — eine Wahrheit, die für die Lippen un 
aussprechlich, dem Ohre unfaßbar ist . . . Sei nicht wie deine Väter, 
die da meinten, daß das göttliche Wesen unveränderlich sei und die 
ihm alle materiellen Eigenschaften absprachen, indem sie in ihrer 
spekulativen Überschwenglichkeit Gott als absolute und reine Ver 
nunft auffaßten. Beraube ihn also nicht seiner Materialität und Kör 
perlichkeit, glaube vielmehr daran, daß er in einer seiner Personen 
(des Gottsohnes) Fleisch geworden sei und sein Blut für die Erlösung 
des Menschengeschlechts vergossen habe. Er hat Todesqualen gelit 
ten, um dich von Schmerz und Leiden zu befreien, denn einen ande 
ren Weg zu deiner R.ettung wußte seine Weisheit nicht zu finden.
	        
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