Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
Die Parteien gerieten zuerst in der Kathedrale aneinander, worauf 
die Feindseligkeiten auch auf die Stadt Übergriffen. Der Alcalde und 
der Führer der Neuchristen Ferdinando de la Torre besetzten alle in 
die Innenstadt führenden Brücken und Tore und ließen die Sturm 
glocke läuten, um ihre Anhänger zur Selbstwehr zu versammeln; die 
Altchristen alarmierten ihrerseits die Einwohner der Vorstädte, denen 
es gelang, das von ihren Widersachern bewohnte reiche Stadtviertel 
in Brand zu stecken, wobei mehr als tausend Häuser ein Raub der 
Flammen wurden. Etwa hundertdreißig Marranen kamen im Hand 
gemenge um und auch ihr Anführer de la Torre fand am Galgen 
den Tod. 
Sechs Jahre später wiederholten sich die Ausschreitungen in 
Cordova. Die vom Ortsbischof protegierten Klerikalen hatten hier 
eine Brüderschaft unter dem Namen „Christliche Liebe“ gegründet, 
von der dem Statute gemäß die Marranen ohne Rücksicht auf Rang 
und Würde ausgeschlossen waren. Dies veranlaßte nun die Marranen, 
als die Brüderschaft einmal (im März 147 3) eine feierliche Kirchen 
prozession veranstaltete, ihre Häuser demonstrativ zu verschließen und 
völlig ungeschmückt zu lassen, was die Menge in heftige Erregung 
versetzte. Plötzlich verbreitete sich das Gerücht, ein Mädchen hätte 
aus einem Marranenhause, an dem die Prozession vorbeizog, Spülwasser 
zum Fenster hinausgegossen, wobei das Bild der Mutter Gottes be 
sudelt worden sei. Daraufhin rannte die in Raserei geratene Menge 
unter Anführung eines Schmiedes mit brennenden Fackeln zu den 
Häusern der Marranen, um mordend und plündernd unter ihren Be 
wohnern zu wüten. Der Stadthauptmann Alfonso de Aguilar, dessen 
Frau einer Marranenfamilie entstammte, sowie sein Bruder, der spä 
ter von der spanischen Armee als der „große Kapitän“ verherrlichte 
Gonsalvo de Cordova ließen jedoch gegen die Mordgesellen einen 
Trupp Soldaten vorrücken. Als der Stadthauptmann die Menge auf 
forderte, die Gewalttaten unverzüglich einzustellen, wurde er von dem 
die Menge anführenden Schmied mit den unflätigsten Schimpfreden 
überhäuft, worauf ihn Aguilar mit seinem Schwerte niederschlug. 
Dies goß indessen nur Öl ins Feuer. Mit lauten Rufen nach Rache 
stürzte sich die durch neuen Zulauf verstärkte Menge auf die Marra 
nen und ihre Verteidiger, überrannte die kleine Soldatenschar und 
setzte ihr Vernichtungswerk mit noch größerer Grausamkeit fort: 
Erwachsene wie Kinder wurden in bestialischer Weise niedergemetzelt,
	        
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