Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
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mußten sie in Kastilien heftigste Erregung hervorrufen. Der neue 
Vorstoß der Kirche drohte in dem nach der Krise mit Müh und Not 
in Gang gebrachten wirtschaftlichen Leben, in dem Juden und Mauren 
die treibenden Kräfte waren, wieder einmal größte Verwirrung zu 
stiften. 
Dies alles geschah während der Zeit, als der Kanzler von Kasti 
lien, Alvaro de Luna, auf Betreiben der Klerikalen zeitweilig seines 
Amtes enthoben war. Die bald in der Verwaltung eingetretenen Miß 
stände nötigten jedoch den König Juan, den tatkräftigen Kanzler 
erneut mit der Leitung der Staatsgeschäfte zu betrauen. Die reaktio 
nären Anschläge waren vereitelt. Den jüdischen Gemeinden gelang 
es, wohl unter Mitwirkung des Abraham Benveniste, die Veröffent 
lichung eines königlichen Erlasses zu erwirken (erging im April i443 
in Arevalo), in dem die päpstliche Bulle eine Interpretation erfuhr, 
die sie praktisch wirkungslos machte. Das Dekret verkündete näm 
lich, daß die Bulle Juden und Mauren durchaus nicht für vogelfrei 
erklärt und ihnen auch nicht untersagt hätte, im Handel und Ge 
werbe die Mitarbeit von Christen in Anspruch zu nehmen (das De 
kret stellt ein ganzes Register der den Andersgläubigen zugänglichen 
Gewerbearten auf: das Schneider- und Schusterhandwerk, die We 
berei, Töpferei, Tischlerei usw.), da diese Berufsarten nicht unter 
den Begriff eines mit Machtbefugnissen gegenüber christlichen Be 
diensteten ausgestatteten öffentlichen Amtes fielen. Um jedoch durch 
die den Andersgläubigen eingeräumten wirtschaftlichen Freiheiten die 
Kirche nicht allzusehr zu reizen, machte ihr der König in demselben 
Dekret manche die Lebensführung ihrer „Feinde“ betreffende Zu 
geständnisse. Er schrieb vor, daß die Juden in den Städten nach wie 
vor in besonderen Vierteln leben sollten und daß ihr Wohnrecht 
dort, wo es solche Viertel noch nicht gebe, auf besondere Straßen 
beschränkt werde; auch das Gesetz über die jüdische Sondertracht 
oder das Judenzeichen sollte in Kraft bleiben; ebenso sollte das Ver 
bot, wonach Christen sich nicht von andersgläubigen Ärzten behan 
deln lassen durften, bestehen bleiben, allerdings nur soweit sie nicht 
ausschließlich auf die Dienste dieser Ärzte angewiesen waren und 
soweit die Arzneien nicht von Glaubensgenossen zubereitet wurden. 
Den die Juden durch Rechtsbeschränkungen hart bedrängenden Stadt 
räten rief Juan II. in Erinnerung, daß die Andersgläubigen unter kö 
nigliche Vormundschaft gestellt seien und daß auf die Verletzung
	        
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