Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 49. Der Missionsterror (Vicente Ferrer) 
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verkehren, sie zu besuchen, mit ihnen gemeinsame Tafel zu halten 
und die gleichen Badehäuser aufzusuchen, außerdem im Haushalt so 
wie in den landwirtschaftlichen und industriellen Betrieben der Ju 
den Dienste zu verrichten, ja sogar sie mit der in Spanien üblichen An 
rede „Don“ zu ehren. Außerdem war es den Juden verboten, Waffen 
bei sich zu tragen, sich den Bart rasieren und das Haar schneiden zu 
lassen sowie andere Kleidung als das vorschriftsmäßige lange Gewand 
aus grobem Stoff anzulegen. Neben diesen die allgemeine Lebens 
führung betreffenden Vorschriften waren in den vierundzwanzig 
Punkten der „Ordonnanz“ Grundsätze aufgestellt, die jede wirt 
schaftliche Betätigung der Juden ertöten mußten. Es war ihnen ver 
boten, mit Brot, Wein und Fleisch zu handeln, sich mit einem Hand 
werk zu befassen oder freien Berufen, insbesondere dem ärztlichen, 
nachzugehen. Auch von allen öffentlichen Ämtern und Würden soll 
ten sie gänzlich ausgeschlossen bleiben. Zugleich wurde ihnen die ge 
richtliche Autonomie entzogen, indem man sie in straf- und sogar in 
zivilrechtlichen Sachen den allgemeinen Gerichtsinstanzen unterstellte. 
Mit der freien Gerichtsbarkeit büßten die Gemeinden auch das Selbst 
besteuerungsrecht ein. Auf die Übertretung dieser Regeln standen 
Geldstrafen von 3oo bis 2000 Maravedi und in einigen Fällen auch 
noch die Prügelstrafe. In der Voraussicht, daß die Juden unter solchen 
Umständen Kastilien zum Nachteil für den Staatsschatz massenweise 
verlassen würden, stellten die Urheber des Ediktes die Auswanderung 
unter strengstes Verbot und drohten den eigenwilligen Emigranten 
die Vermögenseinziehung und sogar die Sklaverei an; den Feudal 
herren, die es wagen sollten, solchen Flüchtlingen ein Asyl zu ge 
währen, stellte das Gesetz eine Strafe von iöo ooo Maravedi in Aus 
sicht. All diese meistens undurchführbaren drakonischen Gesetze 
(ähnliche Repressivmaßnahmen wurden auch gegen die Mauren ver 
fügt) gingen eigentlich nur darauf aus, die in ihrem Glauben ver 
harrenden Juden zu demütigen, zü verfemen und zu terrorisieren. 
Den an verhältnismäßig weitgehende bürgerliche Freiheiten gewöhn 
ten kastilischen Juden sollte durch diese Androhung des Parialoses 
drastisch vor Augen geführt werden, daß allein die Taufe ihnen das 
Sklaven joch ersparen könnte. 
Neben den heimtückischen Verführungskünsten wurden aber auch 
wilde Gewalttaten nicht verschmäht: während man die Juden einer 
seits durch Lockmittel für die Kirche zu gewinnen suchte, wurden
	        
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