Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
348 
gehaltenes, anläßlich des Purimschmauses von dem ehemaligen Sa 
lomo Halevi an Alguadez gerichtetes humoristisches Schreiben erhal 
ten.) Der als Arzt bei Hofe wirkende offizielle Vertreter des Juden 
tums mußte dem abtrünnigen Rabbiner, der sich auf die Rolle eines 
neuen Haman vorbereitete, ein Dorn im Auge sein. So sann denn 
der Renegat unausgesetzt darauf, den beim König ein- und ausgehen 
den Mardochai aus dem Wege zu räumen, was ihm nach dem Tode 
Heinrichs III., als er Mitglied des Regentschaftsrates geworden war, 
endlich gelingen sollte. Um i4io wurde nämlich in Segovia, wo sich 
zeitweilig die Regentin Catalina aufhielt, gegen einige der Hostien 
schändung bezichtigte Juden ein Prozeß inszeniert, in den auch Meir 
Alguadez verwickelt wurde. Allen Verhafteten preßte man auf der 
Folterbank ein Geständnis ab, wobei Alguadez überdies noch ein an 
deres angebliches Verbrechen gestehen mußte: er hätte durch seine 
ärztliche Behandlung den Tod des kranken Heinrich III. beschleunigt. 
Auf Grund dieser durch die Tortur erzwungenen Selbstanklage wurde 
Alguadez einem qualvollen Tode preisgegeben. Zwar sind die Einzel 
heiten dieses Vorfalls in geschichtliches Dunkel gehüllt, doch unter 
liegt es keinem Zweifel, daß der Staatsrabbiner auf Betreiben des 
Paulus von Burgos auf die eine oder andere Weise beseitigt wor 
den ist. 
Nachdem die Juden ihres treuen Beschützers beraubt worden wa 
ren, hatte die judenfeindliche klerikale Hofpartei mit dem Bischof 
von Burgos an der Spitze ein leichtes Spiel. Der von Catalina ge 
führte Regentschaftsrat glaubte nichts Eiligeres zu tun zu haben, als 
Maßnahmen zur Absonderung der Juden von den Christen zu er 
greifen. Durch diese Maßnahmen sollte einerseits der schädliche Ein 
fluß der rechtgläubigen Juden auf ihre getauften Stammesgenossen 
unterbunden, andererseits aber durch Entmündigung der „Starr 
köpfe“ ein krasser sozialer Gegensatz zwischen den Gläubigen und 
Ungläubigen geschaffen werden. In Verfolg dieser Aufgabe erging 
im Jahre i4i2 eine „Ordonnanz der Donna Catalina“, die alle kasti- 
lischen Juden zu einer entrechteten Pariakaste herabwürdigte. Die 
Juden durften nunmehr in den Städten nur noch in den „Juderien“ 
wohnen, in die alle in anderen Stadtteilen Ansässigen binnen einer 
Woche übersiedeln mußten. Das Judenviertel durfte von Christinnen 
weder bei Nacht noch bei Tage betreten werden. Den Christen bei 
derlei Geschlechts wurde es untersagt, mit Juden freundschaftlich zu
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.