Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

3i5 
§ 45. Verarmung der deutschen Gemeinden im XIV. Jahrhundert 
ration der jüdischen Gemeinde von Straßburg erfolgte erst gegen 
Ende des XYII. Jahrhunderts, nach der Angliederung des Elsaß an 
Frankreich. 
Aus den zerstörten rheinländischen Städten zogen viele Juden an 
die Donauufer, nach Wien und anderen Städten Österreichs, wo die 
jüdische Bevölkerung unter den Schrecken des „Schwarzen Todes“ 
nur wenig gelitten hatte. Aber auch hier verschlimmerte sich die 
Lage der Juden in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts zu 
sehends. Nach der Verkündigung der „Goldenen Bulle“, die, wie er 
wähnt, neben dem Kaiser auch den Kurfürsten das Recht des „Ju 
denbesitzes“ einräumte, erwirkte der österreichische Herzog Ru 
dolf IV. dieses Vorrecht auch für sich und seine Brüder, die Herzoge 
von Kärnten und Steiermark. Bei der Ausbeutung des ihnen be 
willigten jüdischen Regals nahmen sich die Herzoge die kaiserlichen 
Gepflogenheiten zum Vorbild: sie fesselten die Juden an ihre jeweili 
gen Wohnorte, indem sie ihnen das Übersiedeln in fremde Besitz 
tümer untersagten. Gleich Wenzel pflegten auch sie in Übereinkunft 
mit den Magistraten und nicht ohne Nutzen für ihren eigenen Schatz 
die Schuldverpflichtungen der christlichen Bürgerschaft den jüdi 
schen Gläubigern gegenüber durch besondere Erlasse („Tödtbriefe“) 
zu annullieren. Das Vermögen der eigenmächtig auswandernden Ju 
den wurde zugunsten des Staatsschatzes eingezogen; hinterließ aber 
ein solcher Emigrant keinen Besitz, so haftete für ihn die gesamte 
Gemeinde. In Fällen besonderer Geldnot griffen die Herzoge zu den 
alten, in Frankreich und England erprobten Mitteln: sie ließen an 
gesehene Gemeindemitglieder verhaften, um auf diese Weise die be 
nötigte Summe als Lösegeld zu erpressen (in den Jahren 1870—77 
in Wien und anderen Städten). Durch die Entrichtung aller Steuern 
und etwaiger Kontributionen konnten sich die Juden nur das eine 
Recht erkaufen, die ihnen auf genötigte Funktion auszuüben, näm 
lich: unter Kontrolle der Behörden dem Kreditbedürfnis der Be 
völkerung Genüge zu tun. In Wien wurden alle von den Juden 
mit den christlichen Handwerkern eingegangenen Kreditgeschäfte in 
ein besonderes, im Stadtarchiv aufbewahrtes „Judenbuch“ eingetra 
gen. Wie aus den Eintragungen (1889—1^20) zu ersehen ist, wur 
den meistens nur geringe Summen, ein bis drei Pfennigpfund, aus 
geliehen und auch die geforderten Zinsen überstiegen nicht die für 
jene Zeit als normal geltende Höhe (durchschnittlich drei Pfennig
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.