Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ US. Ludwig der Bayer und die „Judenschläger“ 
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„Schutz“ wie auch von den Mordbrennern für die diesen verliehene 
Amnestie reichen Tribut ein, während die Geistlichkeit sich an den 
Gaben der zu den heiligen Stätten strömenden Wallfahrer bereicherte. 
Für die Duldung antijüdischer Ausschreitungen, die als eine Schä 
digung des Reichseigentums betrachtet zu werden pflegten, waren die 
städtischen Behörden von Gesetzes wegen unmittelbar dem Kaiser ver 
antwortlich, und so legte man den Städten, in denen es zu solchen Ex 
zessen gekommen war, gewöhnlich Geldbußen zugunsten des kaiser 
lichen Schatzes auf. Durch solche Strafgelder vermochten sich somit 
die Bürger nachträglich gleichsam das Recht zu erkaufen, bei den 
Überfällen nicht nur untätig beiseite zu stehen, sondern auch selbst 
mit Hand anzulegen. Gegen eine angemessene Entschädigung konnte 
die Bürgerschaft bei Kaiser und Fürsten stets volle Straffreiheit er 
wirken. In besonders freigebiger Weise wurden solche Amnestieerlasse 
von Ludwig dem Bayer den an den Greueltaten der Armleder mit 
schuldigen Elsässer Städten gewährt. Nachdem die Bürger von Mül 
hausen ihm tausend Livres zu Füßen gelegt hatten, schloß er mit 
ihnen den folgenden Vertrag: „Wir verkünden hiermit — heißt es 
in dem kaiserlichen Erlaß —, daß der Stadtrat und die Bürger von 
Mülhausen zu folgendem gütlichen Übereinkommen mit uns gelangt 
sind: für den Verzicht auf alle unsere Ansprüche, die wir gegen sie 
wegen der Ermordung der Juden von Mülhausen oder der diesen zu 
gefügten Verluste und Schäden geltend machen könnten, stellen sie 
uns tausend Pfund in alter Baseler Münze zur Verfügung. Um in 
dessen den bezeichneten Bürgern die Aufbringung des von ihnen zu 
leistenden Betrages zu ermöglichen, überlassen wir ihnen das ganze 
Hab und Gut der in der Stadt ermordeten Juden: Haus, Hof, Pfän 
der und sonstiges Gut . . . Nach erfolgter Auszahlung der tausend 
Pfund sollen alle Mülhausener Bürger und Stadtbewohner von allen 
den ermordeten Juden gegenüber eingegangenen Verpflichtungen ent 
bunden sein“. So gering war das Blutgeld für hingemordete Juden! 
In ähnlicher Weise verschacherte der Kaiser die Absolution auch an 
andere schuldbeladene Städte. Der österreichische Herzog Albrecht II. 
war der einzige Herrscher dieser Zeit, der den Juden mehr Menschen 
freundlichkeit entgegenbrachte. Als die wahnwitzige Fabel von der 
Hostienschändung Volksunruhen auslöste, suchte er durch die bereits 
erwähnte Appellation an den Papst die Geister zu beschwichtigen. Von 
jeder Voreingenommenheit durchaus frei, gab er in dem Schreiben
	        
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