Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIV. und XV. Jahrhundert 
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noch unter seinen hohen Schutz nahm, was sie indessen weder von 
der Jahresabgabe zugunsten des Kaisers noch von der Sonderbesteue 
rung zugunsten des Ortsbischofs befreite. Der Kaiser machte sich je 
doch über diese vielfache Besteuerung nicht die geringsten Sorgen, 
da er überhaupt auf jüdische Kosten überaus freigebig war. Als der 
Burggraf Johann von Nürnberg sich einst weigerte, verschiedenen 
von den Juden, die ihm vom Kaiser zum Lohn für erwiesene Dienste 
zur Verfügung gestellt worden waren, die Schulden zu bezahlen, 
wurde diese Enteignung von Ludwig aus dem Grunde voll gebilligt, 
weil die Juden dem Kaiser, wie er erklärte, sowie jedem, dem er sie 
überweise, „mit Leib und Gut angehörten“, weshalb denn auch ihr 
jeweiliger Besitzer mit ihnen „handeln und schaffen darf, was ihm 
gutdünkt“ (i343). 
Neben den mannigfachen auf den Gemeinden als solchen lasten 
den Abgaben hatten die Juden laut einem kaiserlichen Befehl vom 
Jahre i342 auch noch eine individuelle Kopfsteuer, den sogenannten 
„güldenen Opferpfennig“ zu entrichten. Im ganzen deutschen Reiche 
mußten dieser Verordnung zufolge alle über zwölf Jahre alten Ju 
den beiderlei Geschlechts, die mehr als zwanzig Gulden ihr eigen 
nannten, alljährlich einen Gulden an den Reichsschatz abführen. Diese 
für wohlhabendere Leute durchaus tragbare Steuer lastete um so 
schwerer auf den unbemittelten Familien. In der Bekanntmachung 
über die Einführung der neuen Steuer wies Ludwig darauf hin, daß 
sie mit Zustimmung der jüdischen Gemeinden beschlossen worden 
sei, die er dafür von nun ab um so besser beschirmen wolle. Die Ge 
meinden bedurften in der Tat dringend des kaiserlichen Schutzes 
gegen die sich immer mehr häufenden Exzesse und mußten daher 
wohl oder übel ihre „Zustimmung“ zu der neuen Belastung erteilen, 
die sie sich übrigens auch ohnedies hätten gefallen lassen müssen. 
Einige Jahre vor der Festsetzung des „Opferpfennigs“ erhob sich 
nämlich in Deutschland eine mächtige, an die Verfolgungen durch 
Rindfleisch (oben, § 2 3) gemahnende judenfeindliche Bewegung. Im 
Trüben fischende Hetzer begannen in Franken die Bauern zu einem 
Kreuzzug gegen die Juden aufzuwiegeln. Der Land- und Stadtmob 
schloß sich hierauf zu Banden zusammen, die sich ganz unverblümt 
„Judenschläger“ nannten. Im Jahre i336 kam es zu Überfällen auf 
die Juden in Mergentheim, Rothenburg und in der Umgegend von 
Nürnberg. Im folgenden Jahre waren von der gleichen Gefahr die
	        
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