Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Drittes Kapitel 
Die Jahrhunderte der Bedrängnis in 
Deutschland (XIV.—XV. Jahrhundert) 
§ 43. Bedrückung und Volksexzesse: Ludwig der Bayer und die 
„Judenschläger“ 
Zu seiner höchsten Entfaltung gelangte das mittelalterliche Regime 
in Deutschland erst im Laufe des XIY. und XV. Jahrhunderts. In 
bezug auf die Juden bürgerte sich hier ein System ein, das gleich 
sam ein Zusammenwirken des Druckes von oben und des Massen 
ansturms von unten darstellte. Die lange Übung brachte es mit sich, 
daß die Herrscher in der systematischen Ausbeutung ihrer „Kammer 
knechte“, die Volksmassen aber in den periodisch wiederkehrenden 
Exzessen eine immer größere Virtuosität an den Tag legten. Der um 
die Juden gezogene magische Kreis schließt sich: die Unsicherheit 
von Leben und Besitz zwingt sie, bei den Königen Schutz zu suchen, 
dieser Schutz kommt ihnen indessen allzu teuer zu stehen und treibt 
sie infolge ihrer aufs äußerste eingeschränkten Gewerbefreiheit in 
die Sackgasse des Geldhandels, was wiederum den wirtschaftlichen 
Judenhaß der christlichen Massen steigert, der im Verein mit der 
von dem Klerus geschürten religiösen Feindseligkeit schließlich zu 
Massenausschreitungen führt, die die Juden hinwiederum ihren kö 
niglichen Beschützern in die Arme treiben. So wird der Jude zwischen 
den Spitzen der Gesellschaft und ihren Tiefen hin und her geschleu 
dert, von jenen geknechtet, in diesen zermalmt. Trost wird ihm nur 
in seiner inneren Welt, in den Mauern seines Viertels, in seiner Ge 
meinde, in der er sich denn auch gegen die feindliche Umwelt aufs 
sorgsamste absperrt. Dies führt indessen nur dazu, daß sich die Feind 
schaft gegen den sich Absperrenden durch Argwohn noch mehr ver 
schärft: er führe, heißt es überall, Unlauteres im Schilde, suche sich
	        
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