§ 39. Die Rückkehr der Exulanten
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düng schenkte zunächst sogar König Philipp V. Glauben. Man stellte
Nachforschungen an und bald wurden gefälschte Briefe vorgelegt,
die angeblich im Namen der maurischen Herren von Granada und
Tunis den Juden mitsamt einer beträchtlichen Geldsumme und Gift
stoffen zugeschickt worden waren, welch letztere sie den Aussätzigen
„für den bewußten Zweck“ weiter geben sollten. Dies sollte den Be
weis dafür erbringen, daß sich die Juden mit den Muselmanen gegen
die Christen verschworen hätten. Man behauptete, daß es gelungen
wäre, Aussätzige der Verwahrung eines garstigen Giftes (einer Mi
schung von Blut, Urin, Kräutern und Hostienbrocken) zu überführen.
So wurden denn neben den Aussätzigen auch die Juden zur Folter
bank und auf das Schafott geschleppt. Eine grausige Apotheose fand
die Verfolgung im Sommer des Jahres 1821 in der Stadt Chinon,
deren Gemeinde eben erst von dem Pastorellenzug heimgesucht wor
den war: in einer Grube wurde ein Scheiterhaufen angezündet und
als er lichterloh brannte, wurden hundertundsechzig Juden in die
Flammen geworfen. Vereinzelte Hinrichtungen fanden auch an ande
ren Orten, SO' auch in Paris statt. In Tours wurden die Juden bis zum
Abschluß der vom König angeordneten Untersuchung im Gefängnis
gehalten. Die Untersuchung vermochte jedoch nicht einmal die aber
gläubischen Richter von der Stichhaltigkeit der gegen die Juden er
hobenen Anschuldigung zu überzeugen, und die Hinrichtungen nah
men bald ein Ende. Der König ließ sich indessen die Gelegenheit zu
einer Ausplünderung der Juden nicht entgehen und legte den fran
zösischen Gemeinden die ungeheure Geldstrafe von 15o 000 Livres
auf. Damit war hinter die Katastrophe des Jahres i32i, die in den
jüdischen Annalen unter der Bezeichnung „Die Drangsal wegen der
Aussätzigen“ („Geserath ha’mezoraim“) bekannt ist, der Schlußpunkt
gesetzt.
Die Juden waren somit nach Frankreich gleichsam nur dazu zu
rückgekehrt, um von dem Volke hingemordet und von der Regierung
ausgeplündert zu werden. Die im Jahre i3i5 gegebenen Zusicherun
gen erwiesen sich als leerer Schall. Und doch wollten die Könige
trotz ihrer Ohnmacht gegenüber den Gewalttaten der Massen nicht
darauf verzichten, den jüdischen Besitz als ihr Privateigentum zu
betrachten. Karl IV., der Nachfolger Philipps V., ließ die von diesem
den jüdischen Gemeinden auf erlegte Kontribution so rücksichtslos
eintreiben, daß viele Juden es vorzogen, Frankreich von neuem zu