Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Das französische Zentrum und die englische Kolonie 
mierten Verfassung, der Papst Innocenz III., starb in der Tat schon 
in dem nächstfolgenden Jahre. Die von ihm ausgestreute böse Saat 
zeitigte aber reiche Ernte. Die bischöflichen Konzile in Südfrankreich 
bestätigten die in Rom aufgesteilten Kanons für die einzelnen Diö 
zesen und trugen für ihre praktische Verwirklichung Sorge. So traf 
das partikuläre Konzil von Narbonne im Jahre 1227 die Verfügung, 
daß die Juden auf ihrem Obergewand, und zwar auf der Brust, ein be 
sonderes Merkzeichen in Form eines runden Stof ff lecks (signum rotae) 
tragen sollten; jede jüdische Familie war ferner verpflichtet, all 
jährlich zu Ostern dem Priester des betreffenden Kirchspiels eine 
Steuer in der Höhe von sechs Denaren („deniers“, „Peschutim“ in 
der jüdischen Chronik) zu entrichten. Die Vorschriften über die jü 
dische Sondertracht oder sonstige Merkzeichen wurden, ebenso wie 
die anderen Entschließungen der Lateransynode, später auch auf den 
Konzilen von Rouen (1281), Noyon (i233), Arles (1284 und 12 36) 
und Beziers (1246) bestätigt. Das Konzil von Beziers fügte noch ein 
neues Verbot hinzu: die Christen durften sich von jüdischen Ärzten 
nicht behandeln lassen. 
Die südfranzösischen Juden widersetzten sich mit aller Energie der 
Durchführung der schmachvollen Verordnungen. In der Chronik 1 ) 
haben sich dunkle Nachrichten darüber erhalten, daß es einem von 
Rachsucht gegen seine früheren Glaubensgenossen erfüllten Renegaten 
aus Montpellier gelungen sei, in Rom eine Verfügung zu veranlassen, 
wonach die Juden ein Merkzeichen aus rotem oder gelbem Stoff an 
ihren Gewändern tragen sollten; daraufhin hätte sich eine Abordnung 
der jüdischen Gemeinden von Avignon und Tarascon zum franzö 
sischen König begeben und wäre mit der frohen Botschaft zurück 
gekehrt, daß die Ausführung des päpstlichen Befehls hinausgescho 
ben worden sei. Bald aber — so berichtet weiter der Chronist —. 
„spürten unsere Stammesgenossen die schwere Hand der Unter 
suchungsrichter“, d. h. der Inquisition, die damals in Südfrankreich 
ihre Wirksamkeit begonnen hatte; „sie nahmen überall in der Pro 
vence Nachforschungen auf und erpreßten schweres Geld. So waren 
denn viele vornehme Leute in Marseille und Avignon gezwungen, 
Merkzeichen auf ihrer Kleidung öffentlich zur Schau zu tragen, wo 
bei namentlich die Juden von Avignon viel zu leiden hatten“. Aus 
dem Bericht des Chronisten erfahren wir, daß der auf dem Ober- 
■*■) Ibid. S. 114— n5 (anscheinend nach derselben alten Chronik des Sanzolo). 
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