Zerstörung des französischen Zentrums
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seits, auf ihren Gewändern ein rundförmiges Abzeichen van vorge-
schriebener Größe zu tragen und sich aller religiösen Auseinander
setzungen mit christlichen Laien zu enthalten. Die Gültigkeitsdauer
des Vertrages wurde auf zwölf Jahre festgesetzt, nach deren Ablauf
es dem König freistand, die Juden aus Frankreich wieder auszuwei
sen, jedoch unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist. In
seinem Dekret über die Zurückberufung der Juden (vom 28. Juli)
hebt der König ausdrücklich hervor, daß sein seliger Vater sie aus
Frankreich nur auf Einflüsterungen schlechter Ratgeber ausgewiesen
hätte, daß er, Ludwig, aber mit Zustimmung der Prälaten und Barone
es für gut befunden hätte, sie wieder ins Land zu rufen, da dies der
„Stimme des gesamten Volkes“ („commune clamour du peuple“) ent
spräche.
Viele Ausgewiesene zögerten denn auch nicht, aus den französi
schen Randgebieten, zum Teil auch aus dem Auslande, nach Frank
reich zurückzukehren. Die an den Ruin gebrachten, ihres ganzen Ver
mögens beraubten jüdischen Familien gingen nunmehr daran, durch
Rückkauf des enteigneten Besitzes und durch Realisierung der win
zigen Überreste ihrer ehemaligen Geldforderungen ihren Wohlstand
wieder aufzubauen. Die zerstörten Gemeinden begannen sich von
neuem einzurichten, indem sie ihre alten Synagogen und ihren son
stigen Besitz von den christlichen Eigentümern zurückerwarben. An
diesem Wiederherstellungswerke arbeiteten in den einzelnen Städten
besondere Kommissionen, an denen sich neben den Vertretern der
jüdischen Gemeinden auch königliche Beamte beteiligten. Doch war
es nicht mehr möglich, das einmal Zerstörte in vollem Umfange wie
der aufzubauen. Die Zahl der Gemeindemitglieder war stark zurück
gegangen, weil nur ein Teil der Verbannten sich zur Rückkehr ent
schlossen hatte; die meisten darunter gehörten überdies der weniger
bemittelten Schicht an, da die Wohlhabenderen bereits in anderen
Ländern festen Fuß gefaßt hatten. Trotz dieser ungünstigen Verhält
nisse hätte das jüdische Zentrum in Frankreich vielleicht dennoch
wiederhergestellt werden können, wenn den Heimgekehrten in der
Tat jene Sicherheit von Leben und Besitz zuteil geworden wäre, die
ihnen durch die Dekrete Ludwigs X. und seines Nachfolgers Phi
lipp V. (1817) so feierlich gewährleistet worden war. Indessen ging
es über die Kraft der damaligen französischen Herrscher, für das
von ihnen verpfändete Wort einzustehen. Verfolgungen und Gewalt