Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
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nigkeit machten die Ergreifung von energischen Vorbeugungsmaß 
nahmen zur dringenden Notwendigkeit. Der Fanatismus der Fahnen 
träger der Kirche rief in den Führern der Synagoge gleichsam einen 
Fanatismus mit umgekehrtem Vorzeichen wach. Nach der Katastrophe 
des Jahres i3gi kehrte Ribosch Spanien für immer den Rücken und 
ließ sich in Algier nieder, wo sich inzwischen die alteingesessene jü 
dische Revölkerung durch die bedeutende Zuwanderung von spani 
schen Flüchtlingen vermehrt hatte. Raid darauf wurde er vom Sultan 
von Algerien zum Oberrabbiner aller jüdischen Gemeinden im Lande 
ernannt. 
Der geistigen Reaktion sollte auch ein eigener Sachwalter auf 
philosophischem Gebiete erstehen. Chasdai Crescas (um i34o bis 
i4io), der in Rarcelona und später in Saragossa seinen Wohnsitz 
hatte, war weniger ein berufsmäßiger, der religiösen Praxis leben 
der Rabbiner als der ideologische Verfechter des Rabbinismus. Sein 
religionsphilosophisches System baute er auf Voraussetzungen auf, 
die denen des Maimonides, der, wie Crescas sagte, „sich durch das 
Studium der (griechischen) Philosophen auch zu ihren Gedanken 
gängen verleiten ließ“, direkt entgegengesetzt waren. Statt Vernunft 
und Offenbarung zu versöhnen, ging Crescas vielmehr darauf aus, 
ihre Gegensätzlichkeit und Unvereinbarkeit zu erhärten, woraus er 
den weiteren Schluß zog, daß sich der begrenzte menschliche Ver 
stand vor der Offenbarung der Thora als einer Äußerung des gött 
lichen Vernunftwillens einfach zu beugen habe. In seiner theologi 
schen Abhandlung „Das göttliche Licht“ („Or Adonai“) sucht Chas 
dai Crescas das ganze großartige Lehrgebäude des Maimonides Schritt 
für Schritt abzutragen, da in ihm, wie er meinte, zwei einander aus 
schließende Raustile, der griechische und der jüdische, nur künst 
lich miteinander verbunden seien. Er tritt der von den Scholastikern 
verfochtenen Unfehlbarkeit des Aristoteles als des Vaters aller Meta 
physik mit Entschiedenheit entgegen und führt den Nachweis, daß 
dessen Lehren von Gott, von der Entstehung der Welt, von der Vor 
sehung und der Unsterblichkeit in krassem Widerspruch zu den Leh 
ren des Judaismus stünden. Den Verfechtern des Dualismus von der 
Art eines Albalag, die für die Theorie der zwiefachen Wahrheit (oben, 
§ 16) eintraten, wirft Crescas Doppelzüngigkeit und Heuchelei vor. 
Wer den Judaismus als göttliche Offenbarung wirklich anerkenne, 
könne und müsse in ihm selbst die vernunftgemäße Regründung sei
	        
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