Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 36. Aragonien, Navarra, Portugal 
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Wurzeln der gesamten gesellschaftlichen Ordnung des Landes aus, 
um dieses gleichsam in die längst entschwundene düstere Westgoten 
zeit zurückzuversetzen. Die Folgen dieses Umschwungs in Spanien 
zeigen sich gegen Ende des XIV. Jahrhunderts in einer Reihe von 
Katastrophen, die nur mit den Schrecken der Kreuzzüge in Mittel 
europa verglichen werden können (unten, § 37). 
§ 36. Aragonien, Navarra, Portugal 
Im Gegensatz zu Kastilien, wo die der jüdischen Hochfinanz ge 
genüber geübte Politik die ganze Judenheit in den Kampf der poli 
tischen Parteien und der Stände mithineinzog, pflegten die Könige Ara- 
goniens im XIV. Jahrhundert den jüdischen Finanzmagnaten keine ver 
antwortungsvollen Posten anzuvertrauen. Vielmehr nahmen sich hier 
die Landesherren den grundlegenden kirchlichen Kanon zur Richt 
schnur, demzufolge ein Jude nie zu einer Stellung befördert werden 
sollte, die ihm Macht über Christen verlieh. So blieb in Aragonien 
noch immer jenes System vorherrschend, das im XIII. Jahrhundert 
von dem König Jakob I. und seinen Nachfolgern eingeführt wor 
den war (oben, §§ 10 u. i3). Die Könige standen in unmittelbarer 
Verbindung mit den „Aljamas“ und erledigten ihre finanziellen Ge 
schäfte mit diesen gleichsam nach privatwirtschaftlichen Grund 
sätzen: sie ließen sich auf Rechnung verschiedener noch nicht fälli 
ger Abgaben Vorschüsse und Anleihen bewilligen, trieben regen Han 
del mit dem Regnadigungsrecht (der „Remission“), mit der Stun 
dung von Privatschulden sowie mit der Gewährung von allerlei Ausf- 
nahmebegünstigungen an einzelne Personen und ganze Gemeinden. 
Als sich einst der Rischof von Tarragona der Erhebung einer außer 
ordentlichen Kontribution bei den in seiner Diözese lebenden Juden 
widersetzte, erinnerte ihn Jakob II. (Jaime, 1291 —1827), ganz 
nach Art der deutschen Kaiser, daran, daß alle Juden „königliches 
Eigentum“ (res propria camerae nostrae) seien. Dieser König trieb 
das Bevormundungssystem so weit, daß er sich nicht selten in die 
Gemeindewahlen, in die Geldstreitigkeiten, ja sogar in die Familien 
angelegenheiten „seiner Juden“ einmischte. Da mit dem Zuwachs der 
jüdischen Bevölkerung auch die „jüdischen Einkünfte“ wachsen muß 
ten, so nahm Jakob II. die im Jahre i3o6 heimatlos gewordenen 
französischen Exulanten gern in Aragonien auf. Schon im August
	        
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