Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 35. Die Erfolge der klerikalen Reaktion 
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richtsbarkeit sowie überhaupt das Recht, Wahlrichter, „Alkalden“, 
zu bestellen, entzogen werde, doch weigerte sich der König, an dieser 
Grundfeste der jüdischen Autonomie zu rütteln. Ebenso widersetzte 
er sich den Forderungen, die auf eine völlige Unterdrückung des 
jüdischen Kreditgeschäftes und auf die Aufhebung des den jüdischen 
Gläubigern den Christen gegenüber gewährleisteten Rechtsschutzes 
hinausliefen. Hingegen sah sich der König genötigt, der Partei der 
Klerikalen und der Adligen in einem anderen Punkte nachzugeben, 
in dem sich sein Vater Heinrich als durchaus unnachgiebig erwiesen 
hatte. Er versprach, fürderhin keine Juden mehr als Finanzagenten 
oder Steuerpächter an seinem und des Infanten Hofe anzustellen 
(i385). Seit dieser Zeit treten uns in der Tat jüdische Schatzmeister 
und „Almojarifen“ am kastilischen Hofe immer seltener entgegen. 
Darüber hinaus machte Juan auch der Geistlichkeit manche Kon 
zessionen: er untersagte den Juden, näheren Umgang mit Christen zu 
pflegen, christliche Wärterinnen und Ammen zu halten, sogar die 
ungläubigen Mauren zum jüdischen Glauben zu bekehren und schließ 
lich jenes Fluchgebet zu sprechen, das der Renegat Abner-Alfons sei 
nerzeit zum Gegenstand einer Denunziation gemacht hatte (oben, 
§ 33). 
Der Klerikalismus faßte eben in den höheren Kreisen der kasti 
lischen Gesellschaft immer festere Wurzeln. So gelang es denn den ka 
tholischen Priestern, die Erlaubnis zu erwirken, jüdische Gelehrte zu 
öffentlichen Disputationen aufzufordern. Die Parteien waren frei 
lich bei solchen Wettkämpfen durchaus nicht gleich gestellt: wäh 
rend nämlich die Priester die Glaubenslehren des Judaismus nach 
Belieben mißdeuten durften, mußten sich die Rabbiner in ihrer Kri 
tik der christlichen Dogmen größte Zurückhaltung auferlegen, da sie 
stets den Zorn der Machthaber oder die Wutausbrüche der Menge zu 
befürchten hatten. Bei diesen religiösen Diskussionen pflegte die 
christliche Geistlichkeit gewöhnlich getaufte Juden als ihre Wort 
führer vorzuschieben, und so arteten die Disputationen, wie schon 
früher in Frankreich und Aragonien, auch hier gar oft in ein öf 
fentliches Ketzergericht über das grundlos verleumdete Judentum aus. 
Als ein solcher öffentlicher Ankläger des Judentums tat sich um jene 
Zeit in Kastilien besonders der „neubekehrte“ Missionar Johann aus 
Valladolid (Johannes Conversus) hervor. Er war es, der auf der im 
Beisein des Erzbischofs von Toledo in Burgos veranstalteten Dispu
	        
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