Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 35. Die Erfolge der klerikalen Reaktion 
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genden, die ihren Vorgängern vom Schlage eines Chasdai ihn Schaprut 
oder Samuel ha’Nagid zu so hohem Ruhme gereichten. Waren doch 
die Würdenträger der neuesten Prägung vor allem darauf bedacht, in 
Luxus zu schwelgen, glanzvoll aufzutreten und es überhaupt in jeder 
Weise den kastilischen Granden gleichzutun. Sie beachteten kaum, 
daß sie durch ihre Lebensweise nur Neid und Haß bei der christlichen 
Bevölkerung erweckten, die sich sagen mußte: „Wie wissen doch die 
Juden sich zu bereichern; bald werden sie alle miteinander Granden 
werden!“ Der rasche wirtschaftliche Aufstieg einzelner Juden, der 
nicht immer mit einwandfreien Mitteln erreicht zu werden pflegte, 
wurde der gesamten Judenheit zur Last gelegt. Daß an der Hoch 
finanz jener Zeit in der Tat viel auszusetzen war, erfahren wir übri 
gens auch aus einer jüdischen Quelle, von dem Schriftsteller der fol 
genden Generation Salomo Alami, der in seiner i4i5 verfaßten „Be 
zichtigungsschrift“ („Iggereth ha’mussar“) folgendes zu erzählen 
weiß: „Es war durchaus kein ehrliches Leben, das viele Repräsen 
tanten unserer Gesellschaft führten, jene Vornehmen, die sich an den 
königlichen Höfen als Führer (der Judenheit) auf spielten. Die Kö 
nige erhoben sie zu hohen Ämtern, vertrauten ihnen die Schlüssel 
ihrer Schatzkammern an, sie aber wurden durch den ihnen zuteil ge 
wordenen Reichtum hochnäsig und wollten sich an ihre einstige Ar 
mut und Erniedrigung nicht mehr erinnern. Sie ließen sich Paläste 
erbauen, spannten vor ihre Wagen die herrlichsten Maultiere, ihre 
Frauen und Töchter begannen sich gleich vornehmen Damen aufzu 
putzen und mit ihrem Schmuck zu protzen. Diese Leute waren voller 
Verachtung für Wissenschaft, Arbeit und Handwerk und zogen ihnen 
Müßiggang, Hochmut und gleisnerischen Prunk vor . . . Zugleich 
waren sie von gegenseitiger Mißgunst erfüllt und verleumdeten ein 
ander vor den Königen und Großen, ohne zu merken, daß sie sich da 
durch selbst ins Verderben stürzten . . . Die kleinen Leute wurden 
aber von ihnen ausgebeutet und geplündert. Sie trachteten allein da 
nach, die Steuerlasten von sich auf die Unbemittelten abzuwälzen. 
Durch ihr ganzes Benehmen entwürdigten sie sich in den Augen ihrer 
Feinde, die nur auf die Gelegenheit warteten, um sich ihrer zu ent 
ledigen und sie mit Schimpf und Schmach aus den Palästen der Kö 
nige und der Großen zu vertreiben“. 
Diese unverblümte Schilderung eines Zeitgenossen wirft ein helles 
Licht sowohl auf die Geschicke der jüdischen Hof würden träger frü
	        
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