Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 33. Die jüdischen Hofwürdenträger in Kastilien 
lungen war, der muselmanischen Armee eine Niederlage beizubringen 
und so zu einem Nationalhelden zu werden. Glücklicherweise wurde 
der Herrschaft des Martinez jählings ein Ziel gesetzt. Gleich dem 
Judenhasser der Vorzeit wurde auch der neue Haman von einer könig 
lichen Favoritin ins Verderben gestürzt. Infolge einer von der Mä 
tresse des Alfons Leonora de Guzman angezettelten Intrige wurde 
nämlich Martinez vom Kriegsschauplatz nach Madrid zurückberufen, 
verweigerte jedoch den Gehorsam und erhob sich mitsamt den Rit 
tern des Alcantaraordens gegen den König. Er wurde indessen bald 
ergriffen und zum Tode verurteilt (i33()). Es geschah dies gerade 
im Monat Adar, in den auch das Fest der Befreiung vom persischen 
Haman fällt. 
Hand in Hand mit der politischen Agitation gegen die Juden ging, 
wie bereits bemerkt, die religiöse. Ihr Urheber war ein selbst aus dem 
Judentum hervorgegangener Renegat, ein schriftkundiger Mann mit 
Namen Ahner oder Alfons aus Burgos (Alfonso Burgensis). In seiner 
Jugend hatte er Gelegenheit gehabt, das biblische und talmudische 
Schrifttum gründlich zu studieren. Im Jahre 1295 begeisterte er sich 
für die Predigten der messianisch gestimmten Mystiker: er gehörte 
zu denen, die an den Propheten von Avila geglaubt und später, als sie 
plötzlich die rätselhaften Kreuze an ihren Gewändern erblickt hatten, 
von ihm abgerückt waren (oben, § 18). Schon damals war Abner 
in seinem Glauben wankend geworden. Zunächst neigte er unter dem 
Einfluß der maimonidischen Philosophie zum Freidenkertum und gab 
sich dem Studium der weltlichen Wissenschaften und der Medizin 
hin, doch gewährte ihm die Ausübung des ärztlichen Berufs keinen 
genügenden Lebensunterhalt. Da tauchte das Zeichen des Kreuzes, 
das ihn einst in seiner Jugend in so schwere Bestürzung versetzt hatte, 
gleichsam als die Lösung beider Probleme, des religiösen wie des 
praktischen, vor seinem geistigen Auge auf. So ließ er sich denn 
taufen und übernahm das Amt eines Sakristans an der Kathedrale 
zu Valladolid. Nunmehr suchte Abner-Alfons die Gunst seiner neuen 
Glaubensgenossen durch verleumderische Anschwärzung des von ihm 
verratenen Glaubens zu gewinnen. Er verfaßte in hebräischer und 
spanischer Sprache mehrere Schriften, in denen er. als Beweis für die 
Unhaltbarkeit der jüdischen Religion unter anderem die große Zahl 
der von ihr hervorgebrachten Sekten anführte — ein Vorwurf, den 
der Judaismus am wenigsten verdient. Jüdische Schriftsteller (Isaak 
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