Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
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der judenfeindlichen Partei stehend, beschloß er nun, den jüdischen 
Hofwürdenträgern und dadurch der gesamten Judenheit Kastiliens 
einen tödlichen Schlag zu versetzen. So ließ er denn gegen die beiden 
Steuerpächter die Beschuldigung laut werden, daß sie durch ihr fis 
kalisches System das Land ruinierten und sich selbst auf Kosten des 
Staatsschatzes bereicherten. Martinez gelang es auf diese Weise, den 
König Alfons zu überreden, die Reichtümer der Finanzagenten ein 
zuziehen, sie selbst aber als Staatsverbrecher dem Gericht zu überant 
worten. Hierauf wurden Benveniste und Ibn Wakar mitsamt ihren 
Angehörigen verhaftet und in den Kerker geworfen (um i3S r j). Ben 
veniste starb im Gefängnis und auch Ibn Wakar fand auf der Folter 
bank den Tod. Dem letzteren wurde vor allem der Umstand zur Last 
gelegt, daß seine Zollpolitik, durch die der Warenaustausch zwischen 
Kastilien und Granada lahmgelegt worden war, die um jene Zeit er 
folgte Kriegserklärung des Emirs von Granada an Alfons XI. herauf 
beschworen hätte. In ihrem Kriegsunternehmen stützten sich die Mau 
ren von Granada auf die militärische Hilfe ihrer Stammesgenossen 
aus Marokko, und es hatte den Anschein, als sollte Kastilien erneut 
zum Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Muselmanen und Chri 
sten werden. Gemeinsam mit Aragonien und Portugal rüstete sich Ka 
stilien zur Abwehr. Zur Führung des Krieges benötigte man indessen 
vor allem Geld und so machte der zum Oberbefehlshaber ernannte 
Gonzalo Martinez den Vorschlag, den Juden alle ihre Schätze weg 
zunehmen, sie selbst aber aus dem Lande zu vertreiben; dabei ver 
bürgte er sich dafür, daß die christliche Bevölkerung mit größter 
Bereitwilligkeit jene Steuersummen auf bringen würde, die alljähr 
lich von den Juden eingingen. Dieser Vorschlag fand jedoch im Kron- 
rate keinen Anklang. Sogar der höchste geistliche Würdenträger des 
Reiches, der Erzbischof von Toledo, ließ sich dahin vernehmen, daß 
die Befolgung des Ratschlages des Martinez dem Lande zum Verhäng 
nis werden würde, denn die Juden seien für den König ein kostbarer 
Schatz: „Du willst — so sprach er — diesen Schatz vernichten und 
den König zwingen, so zu handeln, wie keiner seiner Vorfahren je 
gehandelt hat; du würdest aber dadurch mehr dem König schaden als 
den Juden“. Die Kunde von den Plänen des Martinez rief in den jüdi 
schen Gemeinden schwerste Besorgnis hervor; man ordnete überall 
Fasten an und betete inbrünstig um die Abwendung des Unheils. Be 
sonders groß wurde die Unruhe der Juden, nachdem es Martinez ge
	        
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