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§ 25. Die Gemeindeverfassung und der Rabbinismus
verhelfen wollte, vernahm er die folgenden stolzen Worte: „Ich lehne
es ab, die Vollmacht, unserem Schöpfer zu dienen, aus deiner Hand
zu empfangen!“ Die Funktionen der Gemeindeversammlungen und
der Räte werden in dem Sendschreiben eines führenden Rabbiners
jener Zeit (des R. Meir aus Rothenburg) in folgender Weise um
schrieben: „Sie haben Älteste und Kantoren zu wählen, Gabbaim (Ver
waltungsbeamte) zu ernennen, Wohltätigkeitskassen zu gründen, für
die Erbauung oder Reparatur der Synagoge zu sorgen sowie Baulich
keiten für Hochzeitsfeiern und für (öffentliche) Arbeiten zu erwer
ben“. Die Gemeindevorsteher pflegten in der Regel für die Frist von
drei Jahren gewählt zu werden.
Die zuerst in Frankreich im XII. Jahrhundert üblich gewordenen
Landeskonferenzen der Rabbiner und Gemeindevertreter (Band IV,
§ 38) traten im folgenden Jahrhundert zu wiederholten Malen auch
in Deutschland zusammen. Es haben sich Nachrichten über solche
Vertretertage der rheinländischen Gemeinden, namentlich der von
Speyer, Worms und Mainz erhalten. Auf diesen Konferenzen wurden
„Takanoth“ oder Verordnungen in betreff der religiösen Praxis, des
Familienrechts und der Gemeindeangelegenheiten beschlossen, insbe
sondere aber die Beziehungen der Juden zu der christlichen Umwelt
geregelt. Die Mainzer Versammlung vom Jahre 1220, an der sich
über zwanzig Abgeordnete, darunter einige hochangesehene Rabbiner
beteiligten, wandte ihre Aufmerksamkeit vor allem dem folgenden
Übelstand zu: wohlhabende Juden, die über Beziehungen bei Hofe
verfügten, pflegten sich Steuerfreiheit zu erwirken, so daß die Ab
gabenlasten um so schwerer auf die unbemittelten Gemeindemitglieder
drückten; die Versammlung traf nun die Verfügung, daß auch die
von den Mächtigen begünstigten Juden gleich all ihren Stammes
genossen an den öffentlichen Lasten teilnehmen sollten. Überdies
stellte die Versammlung jedem, der in Umgehung der geltenden
Wahlordnung seine Beförderung zu irgendeinem Gemeindeamt bei
den christlichen Behörden durchsetzen würde, den Gherem in Aus
sicht. Daneben verpflichtete die Versammlung alle Juden zu pein
lichster Rechtschaffenheit in Geldgeschäften mit Christen und unter
sagte aufs strengste, falsche oder beschnittene Münzen in Verkehr
zu bringen; besonders scharf wurde die Angeberei verdammt, dieser
Krebsschaden jeder unterjochten Gemeinschaft. Ein Jude durfte den
Stammesgenossen nur unverzinsliche Darlehen gewähren, konnte sich