Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIII. Jahrhundert 
ren auch die kirchlichen Provinzialkonzile aufs eifrigste bemüht. So 
erinnerte das Konzil der Mainzer Diözese (1259) mit allem Nach 
druck daran, daß die Juden durch ein besonderes Abzeichen gebrand 
markt werden müßten. Im ganzen Mainzer Bezirk, in Stadt und Land, 
wurden die jüdischen Einwohner beiderlei Geschlechts verpflichtet, 
eine Sondertracht anzulegen oder ein Abzeichen an ihrem Gewände 
anzubringen, damit sie so „ohne Fehl“ von den Christen erkannt 
werden könnten. An den Orten, wo die Obrigkeit keine Maßnahmen zur 
Durchführung dieser Vorschrift ergreifen würde, sollte mit dem Got 
tesdienst in den Kirchen so lange ausgesetzt werden, bis die Fürsten 
und Notabein, in deren Herrschaftsbereich das „treulose und elende 
Volk“ (gens perfida et misera) lebte, die störrischen Juden zur Be 
folgung des Kirchenkanons zwingen würden. Ein Jude, der sich am 
Karfreitag auf der Straße zeigen sowie vor die Tür oder an das Fen 
ster seines Hauses treten sollte, hatte diesen Bestimmungen gemäß : 
eine Geldbuße zugunsten des Erzbischofs zu erlegen. Ferner wurden 
den die Kirchenvorschriften mißachtenden Juden alle geschäftlichen 
Beziehungen mit Christen untersagt. Zugleich wurde es den Priestern 
zur Pflicht gemacht, ihre Gemeinden während des sonntäglichen Got 
tesdienstes von diesen Verhaltungsmaßregeln in Kenntnis zu setzen. 
Ein Volk, dem in den Kirchen derartige Vorschriften immer wie 
der eingehämmert wurden, mußte schließlich an seinem Rechts 
bewußtsein schweren Schaden nehmen. In die schon erwähnte, unter 
dem Namen „Schwabenspiegel“ bekannte Volksrechtssammlung wur 
den denn auch die antijüdischen Kirchenkanons fast wörtlich mit 
übernommen : die Christen durften keine Tischgenossenschaft mit den 
Juden pflegen, sie nicht als Gäste empfangen und mit ihnen zusam 
men nicht baden; vom Gründonnerstag bis zum Ostertage durften 
sich die Juden nicht auf der Straße blicken lassen und mußten Tür 
und Fenster geschlossen halten. Ferner waren sie zum Tragen spitzer 
Hüte verpflichtet, damit sie von den Christen unterschieden werden 
könnten, und durften in ihrem Hausstand keine christlichen Dienst 
boten anstellen. Bei der gerichtlichen Eidesleistung mußte der Jude, 
während er die rechte Hand auf den Pentateuch legte, mit den Füßen 
auf eine Schweinshaut treten. Auf das Zusammenleben eines Christen 
mit einer Jüdin oder eines Juden mit einer Christin stand für beide 
Teile der Flammentod. Obzwar die Juden zur Taufe nicht gezwungen 
werden durften, mußte doch derjenige, der einmal, und sei es auch 
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