Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 22. Das Interregnum (125U—1273) 
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schwerde des Straßburger Bischofs über die Beeinträchtigung seiner 
finanziellen Hoheitsrechte hervorgeht (1261). 
Indessen gab es auch unter den kirchlichen Lehensherren nicht 
wenig untreue Hirten, die die von ihnen Betreuten nicht nur zu sche 
ren, sondern auch zu schinden pflegten. In solcher Weise verfuhr 
z. B. der Magdeburger Erzbischof Robert (oder Ruprecht). Nach sei 
ner Rückkehr aus Rom, wo er für die Erwerbung seiner geistlichen 
Würde viel Geld ausgegeben hatte, beschloß dieser mustergültige 
Seelenhirt, sich an den ihm Untertanen Juden schadlos zu halten. An 
einem Sukkothtage (1261) überfiel er mit einem Dienertrupp den 
„Judendorf“ genannten jüdischen Vorort von Magdeburg, raffte eine 
Menge Geld, Silber und Goldgeräte zusammen und ließ überdies zu 
Erpressungszwecken die wohlhabendsten jüdischen Einwohner ver 
haften. Einen ähnlichen Überfall unternahm er auch auf die Juden 
von Halle, das gleichfalls zu dem Magdeburger Episkopat zählte. 
Hier traten jedoch dem räuberischen Bischof die Bürger entgegen 
und erklärten, daß sich die Stadt zur Verteidigung der Juden ver 
traglich verpflichtet hätte und ihren Vertragspflichten getreu nach- 
kommen werde. Der Erzbischof rief nun den Beistand der ihm ver 
wandten Grafen von Mansfeld an und belagerte die Stadt, während 
sich der Bürgerschaft Herzog Albert von Braunschweig anschloß. Es 
kam zu einer Schlacht, bei der der Herzog in Gefangenschaft geriet, 
und so fiel Halle der Raubgier des Bischofs zum Opfer. Die Beute, 
die diesem Raubritter im Priesterornat bei seinen beiden Streifzügen 
in die Hände fiel, erreichte die ansehnliche Summe von 100000 
Mark. 
Die von den jüdischen Stadtbewohnern an die Bürgerschaft abge 
führten Abgaben bestanden entweder in einer bestimmten Jahressteuer 
oder aber in Beiträgen für die außerordentlichen städtischen Aus 
gaben, wie etwa zur Verteidigung gegen feindliche Überfälle. In sol 
chen Fällen wurden die Juden auch zu Naturalleistungen angehalten. 
So rüsteten sie in Regensburg in den Jahren i25i—1252 Krieger 
scharen zur Bewachung der städtischen Festungswerke aus. Auch in 
Worms händigten sie der Bürgerschaft zweimal erhebliche Geldsum 
men zur Anwerbung von Schutztruppen ein (1259 und 1271). Ihre 
Treue wurde dadurch belohnt, daß die Bestimmungen aller in jener 
unruhvollen Zeit von den lehensherrlichen und städtischen Behörden 
abgeschlossenen Landfriedensverträge auch auf die jüdischen Gemein
	        
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