Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 22. Das Interregnum (1254—1273) 
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gestattete den Juden bei kurzfristigen Anleihen wöchentlich höch 
stens zwei Pfennig vom Pfund (= 2^0 Pfennig) als Zins zu erheben; 
aber auch bei langfristigen Anleihen mit jährlicher Abrechnung 
durfte der Zinssatz 33 Prozent nicht übersteigen. Angesichts der da 
maligen Geldknappheit galt ein solcher Gewinn als durchaus beschei 
den, und so sahen sich die Behörden später selbst gezwungen, die 
Zinssätze zu erhöhen. Jedenfalls sind es um jene Zeit noch keines 
wegs die Kreditbeziehungen, die in Deutschland Anlaß zu schwereren 
Konflikten geben. Die Hauptursache der antijüdischen Stimmung in 
den Massen bildete damals vielmehr der religiös-nationale Antagonis 
mus, der durch die politischen Wirren, die in der zweiten Hälfte des 
XIII. Jahrhunderts besonders bedrohliche Dimensionen angenommen 
hatten, immer mehr verschärft wurde. 
§ 22. Das Interregnum und die Judenmetzeleien (1254—1273) 
Das auf den Tod des Kaisers Friedrich II. folgende große Inter 
regnum (i2Ö4—1273) wirkte auch auf das Los der Juden in fühl 
barster Weise zurück. Die Schwächung der zentralen Gewalt brachte 
sie in völlige Abhängigkeit von den lehensherrlichen und städtischen 
Ortsbehörden, die eine so einträgliche Bevölkerungsschicht nur zu 
gern in ihre Obhut nahmen. In vielen Städten wetteiferten Bischof und 
Magistrat um die Bevormundung der Juden. So gab sich der Kölner 
Bischof Konrad alle Mühe, jüdische Auswanderer aus anderen Orten 
in seine Residenz zu locken. Schon im Jahre 1252 verkündete er für 
die in Köln ansässigen und dorthin zuwandernden Juden eine Ver 
fassung, in der er sich bereit erklärte, ihnen gegen eine zweimal jähr 
lich, am Johannistage und zu Weihnachten, zu leistende Sonderabgabe 
(tributum, servitium) jegliche Protektion zu gewähren. Zugleich 
sicherte er der jüdischen Gemeinde das Selbstverwaltungsrecht zu und 
behielt sich nur die Jurisdiktion in strafrechtlichen Sachen vor. Der 
Gemeinde stand das Recht zu, den „jüdischen Bischof“ (episcopus 
Judaeorum), d. h. den Rabbiner, frei zu wählen, wobei sie bei jedem 
Wahlgang nur einen Betrag von fünf Mark an den erzbischöflichen 
Schatz zu entrichten hatte. Bei Verkündigung dieses Freibriefes er- 
suchte der Kölner Kirchenfürst die Bürgermeister und die Mitglieder 
des Stadtrates, über die den Juden verliehenen Rechte sorgsam zu 
wachen, „um so die jüdischen Stadtbewohner an ihre Heimat zu fes-
	        
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