§ 2i. Die Ritualmordlüge und der päpstliche Protest
Mönchen, Herzogen und Grafen bestehende Kommission die folgende
Entschließung: die Juden von Fulda treffe in der Sache des Kinder
mordes keinerlei Schuld und es sei zur öffentlichen Kenntnis zu brin
gen, daß alle derartigen Beschuldigungen nichts als Verleumdungen
seien und daß kein deutscher Jude auf Grund solcher Anklagen zur
Verantwortung gezogen werden dürfe. Der Beschluß der Kommission
wurde dann vom Kaiser in einem besonderen Erlaß (Juli 12 36) be
stätigt und dem erwähnten, den deutschen Juden im selben Jahre ver
liehenen Generalprivileg als Anhang beigefügt. Es geschah dies auf
die Bitte der schwer beunruhigten Juden hin, die die kaiserliche
Gnade, wie alle sonstigen Privilegien und Schutzbriefe, wohl mit
reichlichen Gaben vergolten haben mochten. Die kirchlichen Chro
nisten unterließen es denn auch nicht, aus dem Ausgang der Anger
legenheit den böswilligen Schluß zu ziehen, daß „die kaiserliche
Strenge nur durch das viele jüdische Geld in Milde umgewandelt“
worden sei.
Ebenso jedoch, wie es dem kaiserlichen Verdikt an Kraft fehlte,
die Märtyrer von Fulda wieder ins Leben zurückzurufen, ebenso fehlte
es ihm an Macht, der Verbreitung der unheilvollen Blutlegende Ein
halt zu gebieten. Nach wie vor bildete jede unaufgeklärte, an Christen
begangene Mordtat den Anlaß zu eigenmächtigen, von Marterung,
Mord und Plünderung begleiteten Überfällen auf die in der Nähe des
Tatorts ansässigen Juden. Nicht selten wurden Christenleichen auch ab
sichtlich in jüdische Häuser eingeschmuggelt, um den Verdacht auf de
ren Eigentümer abzulenken, wobei die Ortsbehörden jedesmal den ein
geschüchterten jüdischen Gemeinden mit Erpressungen hart zusetzten.
Die durch die unausgesetzte Bedrängnis an den Rand der Ver
zweiflung gebrachten deutschen Juden flehten nun durch ihre Ab
geordneten den Papst Innocenz IV. an, sie in Schutz nehmen zu wol
len und der christlichen Welt die Lügenhaftigkeit der abergläubi
schen Anschuldigungen klarzumachen. Der um jene Zeit in Lyon
weilende Papst ging auf das Gesuch ein und erließ am 5. Juli 1247
an die Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands eine Bulle folgenden
Inhalts: „Wir habeü die flehentliche Klage der Juden vernommen,
daß manche kirchliche und weltliche Würdenträger wie auch sonstige
Edelleute und Amtspersonen in euren Städten und Diözesen gottlose
Anklagen gegen die Juden erfänden, um sie aus diesem Anlaß aus
zuplündern und ihr Hab und Gut an sich zu raffen. Diese Männer
11 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. V
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