Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Die französisch-spanische Hegemonie 
zwar die Juden sozial viel besser gestellt und besaßen auch ein viel 
ausgedehnteres Betätigungsfeld, doch stellten sie auch hier für die 
aragonischen und kastilischen Könige, die ihren Staatsetat vornehm 
lich auf den von den jüdischen Untertanen bezogenen Einkünften 
aufzubauen pflegten, lediglich ein Objekt der Ausbeutung dar. In 
ungünstigster Weise wirkte auf die wirtschaftliche und rechtliche 
Lage der Juden der Aufschwung der autonomen Städte, d. h. des 
christlichen Bürgertums, zurück, der sich seit dem XIII. Jahrhundert 
überall geltend zu machen begann. Von sämtlichen wirtschaftlichen 
Organisationen der christlichen Stadt, Kaufmannsgilden wie Hand 
werkerzünften, geschweige denn von der städtischen Selbstverwaltung, 
blieben die Juden völlig ausgeschlossen und wären auch aus allen Er 
werbszweigen überhaupt gänzlich verdrängt worden, wenn ihnen nicht 
der Schutz der Könige und Fürsten zuteil geworden wäre. Indessen 
kam ihnen dieser Schutz sehr teuer zu stehen und reichte überdies 
nicht immer dazu aus, sie vor den Ausschreitungen des Stadtmobs zu 
bewahren. Es kam schließlich so weit, daß die Juden aus zwei Län 
dern, in denen das Widerspiel der wirtschaftlichen Interessen beson 
ders kraß in Erscheinung trat, restlos vertrieben wurden: im Jahre 
1290 wurden sie für immer aus England ausgewiesen und im Jahre 
i3o6 mußten sie auch Frankreich, wenn auch nur für eine Zeit 
lang, verlassen. 
Über dieser ganzen Lebensordnung schwebte aber der Geist der 
mittelalterlichen Kirche, deren Einfluß auf die innere Politik der 
europäischen Staaten im XIII. Jahrhundert seinen Höhepunkt er 
reichte. Der Beginn dieses Jahrhunderts ist durch den „inneren Kreuz 
zug“ der fanatischen Streitmacht des Papstes Innocenz III. gegen die 
ketzerischen Albigenser gekennzeichnet, der die Begründung der kirch 
lichen Inquisition im Gefolge hatte, sowie durch die Lateransynode 
im Jahre 1215, welche für die Juden ein herabwürdigendes Schand 
mal, eine Sondertracht, festsetzte. In das Ende desselben Jahrhunderts 
fällt die Zerstörung der jüdischen Kolonie in England, auf die fünf 
zehn Jahre später auch die Vernichtung der französischen Metropole 
dieser Kolonie folgte. Überall war es die kirchliche Politik, die für 
solche legale Gewaltmaßnahmen gegen die Juden den geeigneten Bo 
den bereitete. Das von der Kirche den Juden aufgezwungene Kains 
zeichen sollte gleichsam ihre soziale Verstoßung symbolisieren. Es war 
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