Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert 
pflegt. An der Abfassung des „Sohar“, der die Zusammenfassung 
eines ganzen Zyklus mystischer Einzelschriften darstellt, wirkten Gott 
sucher verschiedenster Generationen mit: palästinensisch-babylonische 
Mystiker der Epoche des „Buches der Schöpfung“, spanische und 
deutsche Kabbalisten des XIII., aber auch der späteren Jahrhunderte, 
bis in die Mitte des XYI. Jahrhunderts, als der „Sohar“ zuerst in 
Italien im Druck erschienen war. Jeder der Mitwirkenden bereicherte 
das Sammelwerk durch seine Beiträge, die er dem Urstil des Buches 
anpaßte; entscheidend für das endgültige Gepräge des „Sohar“ war 
jedoch die Redaktion, die ihm durch Moses de Leon zuteil geworden 
war. Seit dieser Zeit wuchs in das religiöse Schrifttum allmählich ein 
Buch hinein, welches dann in allen religiösen und messianischen Be 
wegungen, die die jüdische Welt vom XVI. bis zum XVIIL Jahr 
hundert in Atem hielten, als hochragendes Banner aufgepflanzt wer 
den sollte 1 ). 
!) In der Frage, ob Moses de Leon der Verfasser oder nur der Kompilator und 
Redaktor des „Sohar* war, neigen wir also zu der letzteren Ansicht. Der ur 
wüchsige und stellenweise kunstvolle, von apokalyptischem Geiste getragene Stil 
des „Sohar“ zeugt neben seiner aramäischen Sprache und dem an die alten 
Midraschim gemahnenden Aufbau davon, daß das Gerippe des Werkes dem Morgen 
lande, keineswegs aber dem .Abendlande entstammt. Es ist durchaus nicht unwahr 
scheinlich, daß der kabbalistisch angehauchte Ramban, der um 1267 nach Palä 
stina kam, dort Überreste alter Midraschimhandschriften gesammelt und nach Spa 
nien „geschickt habe; das gleiche mag auch Abraham Abulafia auf seinen Wan 
derungen durch die Welt getan haben. Diese Bruchstücke mochten einige Zeit in 
den Konventikeln der Eingeweihten von Hand zu Hand gegangen sein, bis sie dann 
Moses de Leon zusammenfaßte und in der aramäischen Sprache der Urschriften 
einer Bearbeitung unterzog, indem er mit dem Grundtext Gedankengänge der neuen 
Kabbala verwob. Alle von Graetz in der Note 12 zum VII. Band seiner „Ge 
schichte“ zusammengestellten Zeugnisse sind kein genügender Grund, um Moses 
de Leon der Fälschung zu bezichtigen, sondern zeugen nur davon, daß auch im 
vorliegenden Falle die übliche pseudoepigraphische Verfahrensweise Anwendung ge 
funden hat. S. Bibliographie. 
lös
	        
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