Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert 
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Dominikanerlager rechnen. Späterhin ließ sich der konservative Rab 
biner, wie wir noch sehen werden, auch in einen erbitterten Streit 
mit den Rationalisten innerhalb des Judentums selbst ein, mit den 
erlesensten Repräsentanten der damaligen jüdischen Geistesaristo 
kratie. 
Während Raschba so in Spanien die Traditionen der französischen 
konservativen Schule Wurzel fassen ließ, wurden von einem anderen 
hervorragenden Talmudisten jener Zeit, von Ascher hen Jechiel, be 
kannt unter seinem literarischen Namen Rosch (um I2ÖO—1827), 
die noch viel engherzigeren Traditionen des deutschen Rabbinismus 
dorthin verpflanzt. Aus Deutschland gebürtig, war Rosch ein typischer 
Vertreter des dortigen rabbinischen Geistes: ein eifriger Talmudver 
ehrer, ein Hort der traditionellen Frömmigkeit und ein ausgesproche 
ner Gegner aller „profanen Wissenschaften“. Sein Meister war einer 
der letzten Tossafisten, der berühmte Meir aus Rothenburg. Die bluti 
gen Verfolgungen, denen die Juden gegen Ende des XIII. Jahrhun 
derts in Deutschland ausgesetzt waren und die die Vernichtung vieler 
jüdischen Gemeinden nach sich zogen, veranlaßten Rosch, seine Hei 
mat zu verlassen und nach Spanien auszuwandern. Er stand noch von 
früher her in gelehrtem Briefwechsel mit vielen Rabbinern, darunter 
auch mit Raschba, und sein Ruhm war ihm schon lange vor seiner 
Übersiedlung vorausgeeilt. In Spanien angelangt (i3oo), trat Rosch 
das Amt eines Rabbiners und eines „Rosch-Jeschiba“ in der kastili- 
schen Hauptstadt Toledo an. Im rabbinischen Schrifttum verewigte er 
seinen Namen durch eine umfangreiche Halachothsammlung („Piske 
ha’Rosch“), bei deren Abfassung ihm die Werke des Alfassi als Vor 
bild dienten. Gleich diesen ist sie eine Art komprimierter Talmud, ein 
Extrakt aus der gesamten Halacha mit vielen Ergänzungen auf Grund 
der tossafistischen Schriften. Das Kompendium des Rosch wurde zum 
Gegenstand des Studiums in den Schulen und wird auch heute noch 
den vollständigen Ausgaben des babylonischen Talmud als Anhang 
beigegeben. Der weltlichen Wissenschaft und der Philosophie bekun 
dete hingegen Rosch unzweideutige Mißachtung. Auf die Philosophie 
wandte er den biblischen Ausspruch von dem unzüchtigen Weibe an: 
„Wer zu ihr hingeht, kehret nicht wieder“. „Eure weltlichen Wissen 
schaften kenne ich nicht“ — pflegte er voll Selbstbewußtsein zu den 
gebildeten spanischen Juden zu sagen — „und danke Gott, daß er
	        
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