Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert 
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Spitze des spanischen Rabbinismus Salomo ben Adret, der unter der 
literarischen Abbreviatur Raschba bekannter ist (um 1245—i3io). 
Ein Schüler des Ramban und des Jona Gerondi, nahm dieser Rabbiner 
aus Barcelona regsten Anteil an den Selbstverwaltungsangelegenheiten 
aller jüdischen Gemeinden von Katalonien und sein geistiger Einfluß 
erstreckte sich weit über die Grenzen seines unmittelbaren Wirkungs 
kreises hinaus. Als offiziell anerkannter „Meister der jüdischen Ge 
setzeslehre“ und als Oberrichter in jüdischen Streitsachen kam 
Raschba häufig mit den Königen Pedro III. und Alfons III. in Be 
rührung. Zusammen mit den Ältesten der Juderia von Barcelona regu 
lierte er die Steuerabrechnungen mit dem König und wurde nicht sel 
ten auch zum Krongericht bei der Verhandlung von Juden betreffen 
den Strafsachen heran gezogen 1 ). In der jüdischen Gemeinschaft galt 
er aber als der maßgeblichste Gesetzeslehrer, den alle Gemeinden 
Spaniens und sogar der Nachbarländer um Rechtsentscheidungen an 
gingen. Es haben sich über 3ooo „Responsen“ oder Gutachten („Te- 
schuboth“) des Raschba erhalten, die einzelnen Personen und Ge 
meinden in Beantwortung verschiedener religiöser, wissenschaftlicher 
und das öffentliche Leben betreffender Fragen zugegangen sind. 
Überdies verfaßte er systematische Werke über mancherlei Probleme 
der Gesetzeskunde. Er war einer jener unermüdlichen Baumeister, 
die ungeachtet dessen, daß das Gebäude des Talmudismus bereits in 
die Wolken ragte, sich mit der Aufführung immer neuer und neuer 
Stockwerke abmühten. Der Kodex des Maimonides, der das stolze Ge 
bäude nach einem vereinfachten Entwurf umzugestalten versuchte, 
vermochte Raschba, den Verehrer der tossafistischen Dialektik, in kei 
ner Weise zu befriedigen. So stellte er denn ein neues, von überwäl 
tigender Gelehrsamkeit zeugendes Kompendium religiös-ritueller Ge 
setze unter dem Titel „Thorath ha’baith“, einen „Leitfaden für den 
häuslichen Gebrauch“ (Speisegesetze usw.) zusammen, das aber statt 
eines übersichtlichen Systems nur eine „Gemara in neuer Gestalt“ 
darbot, in der sich Thesen und Schlußfolgerungen in einem Meere 
t) In den spanischen Akten wird er „Salomon d’en Adret”, zuweilen auch 
nach seinem Vaternamen „d’en Abraham” genannt. Aus der Tatsache, daß der 
Infant Alfons sich einst an die Familie des Raschba mit der Bitte wandte, einem 
seiner Ritter und dessen Nachbarn ihre Schulden zu stunden (i283), ist zu er 
sehen, daß die Familie des Rabbiners sich nebenbei auch mit Bankoperationen be 
faßte. S. Regne, Gatalogue etc. Nrn. 384, 873, gi5, 998, 1192 (vgl. Biblio 
graphie).
	        
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