Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§15. Der Rabbinismus in Frankreich und Spanien 
Förderern des französischen „Tossafismus“ auf spanischem Boden 
gehörte der hervorragende Gelehrte Ramban aus Gerona (Moses ben 
Nachman), den wir anläßlich der Disputation in Barcelona und des 
antimaimonistischen Feldzuges bereits kennen gelernt haben. 
Ramban (1195—1270) war von weltlichem Wissen nicht unbe 
rührt geblieben und besaß insbesondere weitgehende Kenntnisse in 
der Medizin, doch wollte er auf dem Gebiete der rabbinischen Gelehr 
samkeit den Geist der freien Kritik nicht anerkennen und zog es vor, 
„bei den altehrwürdigen Autoritäten zu lernen“. Er beherrschte mei 
sterlich die Methode der Apologie und der gekünstelten Überbrückung 
der in den „maßgebenden“ Quellen klaffenden Widersprüche. Schon 
in seiner Jugend trat er mit einer Apologie („Milchamoth“) hervor, 
in der er mit den Mitteln haarspaltender Dialektik das halachische 
Kompendium des Alfassi gegen die Einwendungen des Serachia Halevi 
(Band IY, § 39) verteidigte. Die zahlreichen talmudischen Unter 
suchungen des Ramban („Chidduschim“) sind von jenem Geiste der 
Tossafisten durchtränkt, der in den Worten des Rabbenu Tarn so dra 
stisch zum Ausdruck kommt: „Wenn ein und derselbe Fall an einer 
Stelle des Talmud in positivem, an einer anderen in negativem Sinne 
entschieden wird, so werde ich immer noch ein Mittel finden, den 
Widerspruch zu beheben“. Wie sehr Ramban im Banne des Autori 
tätsglaubens stand, zeigt sein schon in vorgeschrittenem Alter verfaß 
ter Kommentar zum Pentateuch, mit dem er den offenbaren Zweck 
verfolgte, dem kritischen Kommentar des Abraham ibn Esra entgegen 
zuwirken. In die auf grammatische Regeln und aramäische „Targu- 
mim“ sich gründende Auslegung des unmittelbaren Textsinnes flicht 
Ramban in seinem Kommentar nicht selten haggadische und sogar 
mystische Deutungen ein. Er war es, der als erster in die Bibelexegese, 
allerdings noch mit aller Behutsamkeit, den Geist der sich um jene 
Zeit in Spanien verbreitenden Kabbala oder „GeheimWissenschaft“ 
hineintrug. Seinen Kommentar beendete Ramban erst in Palästina, 
wohin er nach der Disputation in Barcelona übersiedeln mußte. Der 
bereits erwähnte kurze Bericht über die Disputation („Wikkuach 
ha’Ramban“), der den Verfasser Verfolgungen von seiten der Domi 
nikaner aussetzte, besitzt nicht nur geschichtlichen, sondern auch gro 
ßen theologischen Wert und wird die schweren rabbinischen Folian 
ten des Ramban sicherlich überdauern. 
In den letzten Jahrzehnten des XIII. Jahrhunderts stand an der
	        
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