Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 8. Die letzten westgotischen Könige in Spanien 
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den Herren obliegt, darauf zu achten, daß ihre neuerworbenen Skla 
ven von den jüdischen Bräuchen lassen; ihre Kinder müssen ihnen 
nach Vollendung des sechsten Lebensjahres weggenommen und Chri 
sten zur Erziehung anvertraut werden, um später auch mit Christen 
vermählt zu werden. Eine Ausnahme wurde hierbei nur für die in 
der gallischen Provinz Septimanien lebenden Juden gemacht, die der 
Gewalt des dortigen Herzogs unterstanden und sich überdies an der 
Verteidigung der Landesgrenzen gegen den Ansturm des „fremd 
ländischen Stammes“ (der Franken) beteiligten; aber auch sie wur 
den nur unter der Voraussetzung ihres Übertritts zum Christentum 
im Genüsse der Freiheit belassen. 
Was nun in Spanien nach diesem Urteilsspruch vor sich gegangen 
sein mag, ob es auch in Wirklichkeit zur Vollstreckung des Schreckens 
urteils gekommen ist, oder ob diese Vollstreckung, was wahrschein 
licher ist, durch die Lehnsherren an den einzelnen Orten hintertrie 
ben wurde, bleibt gänzlich in Dunkel gehüllt. Eine unklare Nach 
richt der Chronik will wissen, daß der Mitregent und Nachfolger 
des Egica, Vitiza (bis 710), alle gegen die Juden gerichteten Repres 
salien rückgängig gemacht hätte. Jedenfalls stellen die von Egica und 
dem siebzehnten Konzil von Toledo erlassenen Gesetze die letzte 
Eruption des westgotischen Fanatismus dar. Durch innere Wirren 
bis in die Grundfesten erschüttert, ging der Staat rasch seinem Zu 
sammenbruch entgegen. Die unmenschliche Bedrängung der Juden, 
die einen bedeutenden und geistig besonders hochstehenden Teil der 
alteingesessenen Bevölkerung Spaniens bildeten, war eine der Haupt 
ursachen, die den Fall dieses theokratischen Reiches; beschleunigt 
hatten. Schon rückten aus Nordafrika gegen die Pyrenäische Halb 
insel die Kriegerscharen der Araber und Berber vor. Wenn die 
Überlieferung, wonach die Muselmanen von einigen mit dem 
König unzufriedenen spanischen Großen in das eigene Land ge 
rufen worden seien, tatsächlich auf Wahrheit beruht, so kann es 
um so weniger wundernehmen, daß die Hauptopfer der westgoti 
schen Gewaltherrschaft, die maskierten und, unmaskierten Juden, die 
Eroberer als ihre Befreier erwarteten. Im Juli 711 gingen nun diese 
Hoffnungen in Erfüllung. Unter Anführung ihres tapferen Feldherrn 
Tarik setzten die Berber über die Meerenge von Gibraltar, drangen in 
Andalusien ein und besetzten nach der berühmten Schlacht bei Xerez 
de la Frontera den größten Teil Süd- und Mittelspaniens, wodurch
	        
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