Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Periode der Kolonisierung 
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steil zum Vorteil gereichen“, denn „nicht genug damit, daß die ver 
blendeten Juden selbst in den Abgrund des Unglaubens stürzen, ma 
chen sic auch noch die Gläubigen an ihrem Glauben irre“. Um aber 
auch die Juden auf den Weg der Besserung zu führen, ersann Julian 
gemeinsam mit dem König viel schlagendere Beweisgründe: die 
Drohung mit der Landesverweisung, mit der Vermögenseinziehung, 
mit Peitschenhieben und mit Leibesverstümmelung. Solche Argumente 
hätten allerdings viel überzeugender gewirkt, wenn die Ausführungs 
organe nicht Beweisgründen ganz anderer Art, von denen oben be 
reits die Rede war, Ohr und Hand geliehen hätten. Und in der Tat, 
wenn das schreckenerregende Dekret vom Jahre 681, wonach alle 
Juden Spaniens noch vor Ablauf der Jahresfrist die Taufe anzuneh 
men hatten, sein Ziel erreicht hätte, so hätte es der Erzbischof Julian, 
der zusammen mit dem König auf dem Konzil von Toledo unter 
dieses Dekret seine Unterschrift gesetzt hatte, wohl kaum nötig ge 
habt, fünf Jahre später mit den Juden über den Zeitpunkt des Er 
scheinens des Messias zu rechten. 
Wie dem auch sein mag, jedenfalls verursachte das Gesetzgebungs 
werk des Erwig und des Konzils von Toledo den Juden nicht wenig 
Kummer und Sorge. Viele von ihnen zogen jenseits der Meerenge 
nach Nordafrika, von wo aus die arabischen Eroberer sich um jene 
Zeit bereits in der Richtung nach der Pyrenäischen Halbinsel in Be 
wegung gesetzt hatten. Alles sprach dafür, daß die Araber, die die 
afrikanischen Juden vom Joche der Byzantiner befreit hatten, nicht 
verfehlen würden, auch die spanischen Juden vom Schreckensregi 
ment der Westgoten zu erlösen. Dies mochte die Flüchtlinge aus Spa 
nien ebenso wie ihre afrikanischen Stammesbrüder dazu bewogen 
haben, der arabischen Bewegung Vorschub zu leisten. Die für die 
fremdländischen Eroberer gehegten Sympathien wurden noch inten 
siver während der Regierungszeit des Egica (687—702), der von 
seinem Schwiegervater Erwig dessen judenfeindliche Tendenzen ge 
erbt hatte. Dieser Herrscher, der seine Regierung durch schnöden 
Treubruch eingeleitet hatte (er schwor nämlich dem sterbenden Er 
wig, dessen Söhnen ein treuer Beschützer zu sein, erbat sich aber 
später, als er nach deren Leben zu trachten begann, bei dem Konzil 
von Toledo Dispens), legte in der Judenbekehrung den größten 
Eifer an den Tag. Während er einerseits die Abtrünnigen in jeder 
Weise begünstigte, setzte er zugleich die in ihrem Glauben standhaft
	        
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