Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 8. Die letzten westgotischen Könige in Spanien 
Belege und Bezichtigungen, von denen das Gesetzbuch des Erwig 
geradezu strotzt; doch beschränkte sich Julian nicht allein auf eine 
Polemik in amtlichen Urkunden, in denen das Hauptargument ja 
schließlich das „Schwert des Gesetzes“ war, sondern polemisierte ge 
gen die Juden auch noch in eigens dazu verfaßten Schriften. Im 
Jahre 686 schrieb er eine dem König gewidmete Abhandlung: „Über 
die Ergründung des sechsten Zeitalters — gegen die Juden“ (De 
comprobatione aetatis sextae contra Judaeos), in der das ewige mes- 
sianische Problem einer neuen Erörterung unterzogen wird. Um den 
Beweis zu erbringen, daß Jesus eben der von den Propheten ver 
kündigte Messias sei, bekämpft Julian voll Leidenschaft die dunkle 
jüdische Überlieferung (die übrigens auch in der talmudischen Hag- 
gada ihre Spuren hinterließ), wonach sich der wahre Messias nicht 
vor Anbruch des sechsten seit der Weltschöpfung verflossenen Jahr 
tausends den Menschen offenbaren könne, da ja dieser Berechnung 
zufolge der gegen Ende des vierten Jahrtausends zur Welt gekom 
mene Jesus nicht als Messias anerkannt werden konnte. So suchte er 
denn zu erhärten, daß im religiösen Sprachgebrauch Jahrtausende 
soviel wie geschichtliche Zeitalter bedeuten, deren seit Adam bis 
Jesus gerade fünf verflossen seien; überdies hätten die Juden, 
wie er glaubt, in ihren Bibeltexten die Chronologie mit Absicht ver 
stümmelt, um so der christlichen Tradition Abbruch zu tun, weshalb 
auch der bei den Christen gebräuchliche griechische Bibeltext (Sep 
tuaginta), auf Grund dessen der Jesus von Adam trennende Zeit 
raum um ein Jahrtausend länger berechnet werden kann, als viel zu 
verlässiger zu erachten sei. Von der Verteidigung zum Angriff über 
gehend, erblickt nun Julian einen unzweideutigen Beweis für den 
Zusammenbruch des Judaismus darin, daß das jüdische Volk weder 
einen Staat, noch einen Tempel, noch Priester besitze und von den 
Christen überall hart bedrängt werde. Eine solche Logik mußte den 
Schluß nahelegen, daß je mehr die Juden von den Christen gepeinigt 
werden, um so klarer die Unhaltbarkeit des Judaismus zutage trete. 
Freilich war sich Julian wohl darüber klar, daß er durch eine der 
artige Johannes Chrysostomus und anderen Kirchenvätern entlehnte 
Beweisführung die Juden kaum zu überzeugen imstande sein werde, 
und so ließ er sich denn in seiner an den König gerichteten Zueig 
nung in folgender Weise vernehmen: „Sollte dieses Buch auch nicht 
zur Besserung der Juden beitragen, so möge es wenigstens den Chri-
	        
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