Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Periode der Kolonisierung 
7° 
rung der mit ihrer Begünstigung verbundenen Gefahr die Aussicht 
auf Gewinn nur noch steigen muß. 
Der Leiter des vierten Konzils von Toledo, der Erzbischof Isidor 
von Sevilla, versuchte dem Judentum auch noch auf dem Wege lite 
rarischer Polemik zu Leibe zu rücken. Er verfaßte eine Schrift „Gegen 
die Juden“ (De fide catholica ex Veteri et Novo Testamento contra 
Judaeos), in der er vermittels der üblichen, im Geiste der Kirchen 
väter gehaltenen Auslegung der biblischen Stellen die Abwegigkeit 
des Judaismus vor Augen zu führen suchte. In dieser Polemik ver 
nehmen wir einen Widerhall jener religiösen Disputationen, die um' 
jene Zeit in Spanien zwischen Juden und Christen stattgefunden ha 
ben mochten. Indem Isidor den Beweis führt, daß die biblische Pro 
phezeiung: „Nie soll das Zepter Juda entgleiten“, sich keineswegs in 
politischem, wohl aber in kirchlichem Sinne erfüllt hätte, nimmt er 
zugleich bei der Widerlegung seiner jüdischen Gegner auf deren Ar 
gument Bezug, daß ja noch vor kurzem ein unabhängiges jüdisches 
Reich im fernen Osten bestanden hätte, womit wohl das Eintagsreich 
der Himjariten in Südarabien gemeint gewesen sein mochte, das im 
VI. Jahrhundert von den Äthiopiern vernichtet worden war (Band III, 
§52). 
Der König Chintila (636—64o) führte sich schon gleich zu Be 
ginn seiner Regierung durch gottgefällige Taten ein: durch Verfol 
gung der „Judaisierenden“. In seiner Rede auf dem sechsten Konzil 
zu Toledo gelobte er, die unter den judaisierenden Neuchristen wu 
chernde „Heimtücke und Voreingenommenheit“ mit der Wurzel aus 
zureißen, und gab zugleich seiner Zuversicht Ausdruck, daß mit der 
Zeit in seinem ganzen Reiche kein einziger Nichtkatholik übrigblei 
ben werde 1 ). Diese königliche Verheißung erfüllte die am Konzil 
!) In diesem Sinne, d. h. nur als ein frommer Wunsch ist nämlich der 
3. Kanon des VI. Konzils aufzufassen, in dem es anläßlich der königlichen Er 
klärung wörtlich heißt: Nec sinit degere in regno suo eum qui non sit cathoili- 
cus, was indessen von vielen so aufgefaßt wurde, als wäre beschlossen worden, 
alle Nichtkatholiken unverzüglich des Landes zu verweisen. Es ist kaum anzu* 
nehmen, daß das Konzil vom Jahre 638 eine wahllose Nachahmung der unter 
Sisebut betriebenen gewaltsamen Judentaufen empfohlen hätte, nachdem diese be 
reits auf dem Konzil des Jahres 633 grundsätzlich verworfen worden waren. 
Vielmehr handelte es sich hier um einen auf die Täuflinge, die „Judaisierenden“, 
die freilich in den Akten nicht selten mit den „Judäern“ verwechselt werden, 
erneut auszuübenden Druck. Dies ist auch aus dem von den „Judaisierenden“ 
dem König unterbreiteten „Placitum“ zu ersehen, von dem weiter unten die 
Rede ist.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.