Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Periode der Kolonisierung 
keit, die auch ehedem von dieser Dienstpflicht befreit zu werden 
pflegten, eine Ausnahme gemacht wurde 1 ). In den folgenden Jahr 
hunderten, bis in die Epoche der Karolinger hinein, wird indessen 
keine in Köln oder in irgendeiner anderen germanischen Stadt be 
stehende jüdische Gemeinde mehr erwähnt, was wohl zu dem Schlüsse 
berechtigt, daß hier nach der großen Völkerwanderung lange Zeit 
hindurch neue jüdische Siedlungen nicht mehr entstanden, ja daß 
vielleicht sogar die aus der römischen Zeit stammenden Kolonien in 
Verfall geraten waren. Infolge des für die Diaspora so bezeichnenden 
Dranges, sich vor allem in den großen politischen Zentren oder in 
den verkehrsreichen Handelsstädten zu sammeln, mußte die jüdische 
Kolonisation eher in dem wirtschaftlich entwickelten romanischen 
Gallien als in dem zurückgebliebenen Germanien, wo noch immer 
die Naturalwirtschaft vorherrschend war, Fortschritte machen. 
§ 6. Das römische und westgotische Spanien. Die Judenverfolgungen 
unter den ersten katholischen Königen 
Die Pyrenäische Halbinsel beherbergte eine der ältesten jüdischen 
Kolonien in Europa. Wenn man auch den Volkssagen, die die An 
fänge der jüdischen Siedlungen in Spanien schon in die uralte Zeit 
des israelitischen Reiches verlegen 2 ), keine weitere Beachtung schenkt, 
1 ) Vgl. Cod. Theod. XVI, 8, 3 und 8, 4 (Verfügungen aus den Jahren 821 
und 331). Eine Analyse dieser Artikel ist bei Aronius, Regesten Nr. 2 zu fin 
den; vgl. Germania Judaica, I, 69 ff. 
2 ) Als in der späteren Blütezeit des jüdischen Zentrums in Spanien diesem 
die Hegemonie in der Diaspora zugefallen war, wurden nämlich allerlei Legenden 
erdichtet, die das hohe Alter des neuen Zentrums vor Augen führen sollten. So 
erzählte man, daß noch zur Zeit des Königs Salomo sein Steuereinnehmer Ado- 
niram Reisen nach Spanien unternommen hätte, wo er auch gestorben wäre; man 
behauptete sogar, daß er in Sagunt begraben worden sei, und daß dieses Grab 
ein mit einer Inschrift versehenes Denkmal getragen hätte. Man vermutete über 
dies, daß manche spanische Städtenamen sich von Judäa herschrieben (Eskalana, 
Jopes). Sogar der Name der Stadt Toledo („urbs Toletana“ in den lateinischen 
Urkunden oder „Toletola“ auf hebräisch und arabisch) war, der Sage zufolge, 
ein Hinweis auf das Umherirren (teltolim), zu dem die nach Spanien aus Ju 
däa nach dessen Zerstörung durch Nebukadnezar eingewanderten Flüchtlinge ver 
dammt gewesen seien. All diesen Überlieferungen scheint eine dunkle Erinnerung 
an die von den Einwohnern des israelitisch-jüdischen Palästina zur spanischen 
Küste in Gemeinschaft mit den Phöniziern und deren afrikanischen Stammesver 
wandten, den Karthagensern, unternommenen Reisen zugrunde zu liegen. Solche 
Fahrten lagen durchaus im Bereiche der Möglichkeit. Schon der Septuaginta und 
den ältesten Kirchenvätern galt Karthago als mit dem biblischen „Tarschisch“ 
identisch.
	        
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