Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Anhang 
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genüber in folgender Weise aus: „Wohl habe ich den von dem Cha- 
sarenkönig Joseph, dem Sohne des Kahan (Ghagan) Aaron, an R. Chis- 
dai ben Isaak geschriebenen Brief in manchen Abschriften gesehen, doch 
weiß ich nicht, ob darin Wahres berichtet wird oder nicht. Solltest du 
darauf hinweisen, daß die Tatsache der Bekehrung jener Chasaren tür 
kischer Abstammung („mi’bne Togarma“) an und für sich außer ZweifeL 
stehe, so würde ich dir entgegnen, daß es noch immer der Klärung be 
darf, ob der in Frage kommende Brief selbst echt sei, ob darin nicht 
vielleicht Entstellungen, Zusätze oder Schreibfehler des Kopisten Vor 
kommen. Wir hielten es für geboten, darauf hinzuweisen, da mir die Ab 
schrift eines anderen von einem Juden in seiner Sprache in Konstanti 
nopel abgefaßten Briefes in die Hände gekommen ist, der sich auf die 
Konstantinopeler Könige bezieht. In dem Briefe werden Kriege zwischen 
diesen Königen und dem König Aaron sowie zwischen den Söhnen je 
ner (der byzantinischen) Könige und dem König Joseph, dem Sohne 
des Aaron, erwähnt. Auch ist darin davon die Rede, daß die Chasaren 
sich zum Judentum bekehrt und daß an ihrer Spitze bekehrte Könige ge 
standen hätten. Überdies hörte ich, daß auch in den Büchern der Araber 
jener Zeit von alledem geschrieben steht“. Ferner führt Albarzeloni jene 
Stelle aus dem Briefe des Königs Joseph an, die von den folgenreichen 
Träumen des Königs Bulan handelt, wobei das Zitat, abgesehen von man 
chen Abweichungen in den Namen der Stämme und der Könige, mit 
dem uns bekannten Text fast völlig übereinstimmt. 
Aus dieser Urkunde können folgende Schlüsse gezogen werden: 
1. Im XI. Jahrhundert waren unter den spanischen Juden sowohl Ab 
schriften des Briefwechsels des Ghasdai mit dem König Joseph wie auch 
jenes Briefes des ohasarischen Juden aus Konstantinopel in Umlauf, der 
von Schechter in der Genisa auf gefunden wurde und mit dem von Al 
barzeloni erwähnten Schreiben allem Anscheine nach identisch ist (die 
Stelle: „Der Brief eines Juden aus Konstantinopel . . . über die Kriege 
zwischen den Konstantinopeler Königen und dem König Aaron sowie 
zwischen deren Söhnen und Joseph, dem Sohne Aarons“ ist eine präzise 
Wiedergabe des Hauptinhalts des aus der Genisa stammenden Briefes); 
2. Die in Umlauf befindlichen Abschriften des Antwortschreibens des 
Königs Joseph machten den Rabbiner von Barcelona an ihrer Genauig 
keit aus dem Grunde zweifeln, ^veil ihm eine abweichende Darstellung; 
der Ereignisse in dem parallelen Schreiben aus Konstantinopel vorlag r 
während er zur Entscheidung der von ihm untersuchten sakral-rechtlichen 
Frage auf strenge Präzision der Zeugenaussagen dringen mußte; 3. Al 
barzeloni blieb es nicht unbekannt, daß über die Chasaren auch die zeit 
genössischen arabischen Schriftsteller geschrieben hatten; 4. Die Zweifel 
des Rabbiners bezogen sich, wie es scheint, nur auf die Frage, ob sich 
alle Chasaren oder nur ihre Könige zum Judentum bekannten, da dies 
für die Entscheidung der aufgeworfenen Frage über die Beteiligung an 
dem Gottesdienst der Fremdstämmigen ausschlaggebend war.
	        
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