Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Anhang 
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ten Text auf und nur eine einzige ist ganz in hebräischer Sprache abge 
faßt; vgl. Ascoli, Inscrizioni di antichi sepolcri Giudaici del Napolitano; 
Torino et Roma 1880). Als Musterbeispiel einer solchen zweisprachigen 
Inschrift möge hier das auf dem Grabe eines Mädchens vornehmer Ab 
kunft angebrachte Epitaph folgen (Nr. 20 bei Ascoli): „Hic quiescit Fau- 
stina, filia Faustini Patris, annorum quatordecim, mensium quinque, quae 
fuit unica parentum, cui dixerunt trenus duo Apostoli et Rebbites, et 
satis grandem dolorem fecit parentibus et lacrimas civitati, Mischkaba 
schel Faustina noach ne fesch schalom, quae fuit pronepos Faustini patris, 
nepos Biti et Aselli, qui fuerunt majores civitatis“ 1 ). 
Die zehn aus dem IX. Jahrhundert stammenden, in Yenosa, Brindisi 
und Lavello erhalten gebliebenen Grabschriften sind alle in hebräischer 
Sprache abgefaßt und mit Zeitangaben nach den beiden nationalen Ären 
versehen: von der Zerstörung des zweiten Tempels und von der Erschaf 
fung der Welt (Ascoli, Nrn. 2 4—33). Nach der ersten Ära sind alle 
zehn Grabschriften datiert und nur auf zweien davon sind auch noch Da 
ten nach der zweiten Ära angegeben. Hier ein Beispiel für diese doppelte 
Datierung (§ 3i): „Bi’schnath arbaath alafim we’chamesch meoth 
u’schmonim we’scheba li’briath olam, scheba meoth we’chamischim we- 
tescha le’chorban beth ha’mikdasch“ (im Jahre 4587 der Welt, im Jahre 
759 seit der Zerstörung des Heiligtums). Die Inschrift stammt also aus 
dem Jahre 827 der christlichen Ära; die übrigen Inschriften tragen 
gleichfalls Jahreszahlen aus der ersten Hälfte des IX. Jahrhunderts. Wir 
begegnen hier immer wieder den üblichen Trauerformeln: „Sichrono 
li’brocho“, „Tehi nafscho zerura bi’zeror ha’chaim“ („Seligen Anden 
kens“, „Möge seine Seele eingeflochten sein in das Gebinde des ewigen 
Lebens“) u. dgl. m. Bemerkenswert ist es auch, daß in all diesen Grab 
schriften uns keine römischen oder griechischen, sondern nur hebräische 
Namen entgegentreten (Joseph, Nathan, Daniel, Rebekka, Malka u. a.). 
Alle diese Beispiele führen uns den ganzen Unterschied in den kul 
turellen Verhältnissen der beiden Perioden, der der Kolonisierung und 
der der Organisierung, deutlich vor Augen. In der Kolonisierungsperiode 
kommt die Anpassung der Juden an die neue Umgebung darin zum 
Ausdruck, daß sie der Sprache und den Schriftzeichen der fremden Um 
welt sogar in die ihre innigsten Gefühle wiedergebenden Grabschriften 
Einlaß gewähren. In der Organisierungsperiode, mit der Zunahme der 
!) Die Inschrift lautet in deutscher Übersetzung: „Hier ruht Faustina, die 
Tochter des Patris (Gemeindehauptes) Faustinus, i4 Jahre und fünf Monate alt, 
das einzige Kind ihrer Eltern, über der zwei Apostel (Bevollmächtigte, „Scheli- 
chim" oder Spendensammler aus Palästina) und Rebbiten (Rabbi, Rabbiner) 
die Grabrede hielten; sie verursachte (durch ihren Tod) ihren Eltern viel Schmerz 
und der Gemeinde viele Tränen. Die Ruhestätte der Faustina; möge ihre Seele 
in Frieden ruhen (dieser Satz ist in hebräischer Sprache und Schrift wieder gegeben). 
Sie war die Urenkelin des Patris Faustinus (wohl des Großvaters väterlicher 
seits, der den gleichen Namen und Titel trug wie ihr Vater), die Enkelin des 
Bitus und des Asellus, die die Ältesten der Gemeinde waren".
	        
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