Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Anhang 
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meinerungen erschlossen und zur Formulierung gebracht. Doch können 
aus diesem Material, durch seine Konfrontierung mit den entsprechenden 
epigraphischen und diplomatischen Daten anderer Provenienz, noch 
manche, mehr ins einzelne gehende Schlußfolgerungen gezogen werden 
(s. die neuesten Untersuchungen von Juster, „Les juifs dans l’empire 
romain“, Bd. I, S. 121 f. und passim in beiden Bänden; Krauß, Syna- 
gogale Altertümer, S. 26, Berl. 1922, u. a.). Es möge hier noch zur 
Charakterisierung der kulturellen Verhältnisse der römischen Juden eine 
nach dem Merkmal der Sprache aufgestellte Statistik der jüdischen Grab 
schriften aus der größten römischen Katakombe (in Monteverde) folgen: 
von 169 untersuchten Inschriften sind i3o in griechischer Sprache und 
Schrift abgefaßt, 29 — in lateinischer Sprache und lateinischer Schrift, 
1 — in lateinischer Sprache und in griechischer Schrift, 5 — in hebrä 
ischer Sprache und Schrift, 3 stellen ein Gemisch von griechischen und 
lateinischen und 1 — von griechischen und hebräischen Elementen dar. 
In einer anderen kleineren Katakombe (Randanini) sind 62 griechische und 
22 lateinische Inschriften, jedoch keine einzige hebräische, zutage gefördert 
worden (Müller, Die jüd. Katakombe, S. 91—92). Weist die Sprache, 
in der die Epitaphien abgefaßt sind, auf eine äußere Assimilation der 
jüdischen Kolonie in Rom hin, so verrät hingegen der Inhalt dieser Grab 
schriften nicht selten die geistige Eigenart ihrer Urheber. Viele dieser In 
schriften weisen die jüdische Schlußformel auf: „In Frieden ruhe er 
auf seinem Lager“ oder „Friedlich sei sein Schlaf“ (s. Jesaja 67, 2), und 
zwar ist sie in der Regel in griechischer Sprache („en eirene e koimesis 
autou“, häufig abgekürzt „en eirene“) oder lateinisch („in pace“) wieder 
gegeben, zuweilen aber auch hebräisch: „Schalom“. 
Die römischen Inschriften tragen keinerlei Data, da alle diese Denk 
mäler aus den ersten fünf oder sechs Jahrhunderten der christlichen Ara 
stammen, als es noch nicht üblich war, die Grabschriften zu datieren. 
So kann die Zeit der Entstehung dieser Denkmäler nur annähernd auf 
Grund der Schriftzeichen, der Orthographie, der Ornamentik, der Be 
schaffenheit des Steinmaterials und ähnlicher archäologischer Merkmale 
erschlossen werden. Sobald wir indessen einen Blick auf Süditalien wer 
fen, wo sich jüdische Grabschriften aus dem VI. und auch aus späteren 
Jahrhunderten erhalten haben, treten uns in unverkennbarer Weise An 
zeichen einer nationalen Evolution entgegen: vor allem wird die grie 
chische und lateinische Sprache hier allmählich durch die hebrä 
ische verdrängt, und außerdem werden die Grabmäler immer häufiger 
mit Daten nach jüdischer Zeitrechnung versehen. So schließen die aus 
dem VI. und VII. Jahrhundert stammenden, in der Katakombe der Stadt 
Venosa auf gefundenen griechischen und lateinischen Inschriften in der 
Regel mit dem hebräischen Worte: „Schalom“ oder mit den Wendun 
gen „Schalom al mischkabo“ und „Schalom al Israel“, daneben sind 
hier auch zweisprachige lateinisch-hebräische Texte durchaus keine Sel 
tenheit (von den 21 Vorgefundenen Inschriften weisen 6 einen gemisch
	        
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