Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 5. Das Frankenreich unter den Merowingern 
einzigen Gedanken besessen: die gesamte, damals nocb sehr zahl 
reiche heidnische Bevölkerung der Taufe zuzuführen. Unstillbar war 
der Durst nach Bekehrung der Andersgläubigen in diesem Zeitalter 
der Massentaufen in Europa. Um so schärfer hob sich von diesem 
Hintergründe die außerordentliche religiöse Standhaftigkeit der Ju 
den ab, die den Eiferern der Kirche ihre ganze Freude an dem über 
das Heidentum errungenen Siege verdarben. Das enge Zusammen 
leben der Juden mit den Massen der neubekehrten, im christlichen 
Glauben noch nicht unbeirrbaren Heiden mußte überdies dem katho 
lischen Klerus als durchaus nicht ungefährlich erscheinen. So ent 
schloß sich denn dieser, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, um 
einerseits die neuen Christen vor dem Einfluß des Judentums zu be 
wahren, andererseits aber die Juden selbst in den Schoß der Kirche 
zu locken oder sie ihr sogar gewaltsam zuzuführen. 
Von den im Laufe des VI. Jahrhunderts im Frankenreiche häufig 
einberufenen partikulären Kirchenkonzilen befaßten sich sieben unter 
anderem auch mit der Judenfrage. Im Jahre 517 trat in Epaon, in 
Burgund, dessen Herrscher sich um jene Zeit von der arianischen 
Irrlehre loszusagen und dem machtverheißenden katholischen Glau 
ben zuzuwenden begannen, ein Konzil zusammen, welches den recht 
gläubigen Priestern gemeinsame Mahlzeiten mit Geistlichen aus der 
Mitte der Ketzer (Arianer) untersagte und es für geboten fand, die 
Tischgemeinschaft mit Juden sogar den Laien zu verbieten. Im 
Jahre 533 untersagte das Konzil von Orleans den Christen, Ehen 
mit Juden einzugehen, und drohte den Zuwiderhandelnden die 
Exkommunikation an, die erst mit der Lösung der „verbotenen Ehe“ 
rückgängig gemacht werden sollte. Indem das Konzi'1 von Giermont 
diese wohl nicht selten mißachtete Vorschrift aufs neue einschärfte, 
sprach es zugleich ein neues Verbot aus: Juden sollten fortan in 
Christen betreffenden Sachen nicht mehr zu Gericht sitzen. Im 
Jahre 538 sah sich das Konzil von Orleans wiederum veranlaßt, ge 
gen die Übertretung des Mischehen Verbotes mit geharnischten Worten 
zu protestieren. Dem Beschlüsse dieser und der darauffolgenden, im 
Jahre 541 zusammengetretenen Synode gemäß durften christliche 
Sklaven, die in eine Kirche oder in ein christliches Haus geflüchtet 
waren, ihren jüdischen Herren nicht ausgeliefert werden; vielmehr 
war die Herrschaft verpflichtet, solche Sklaven gegen ein bestimmtes 
Lösegeld freizulassen. Ohne Lösegeld sollten die von ihren Herren
	        
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