Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Morgenland im Zeitalter der Kreuzzüge 
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Nathaniel folgte. Als Nagid trug Maimonides eifrigste Sorge für 
den Ausbau der autonomen Verfassung der jüdischen Gemeinden in 
Ägypten, Palästina und Syrien und hatte in verschiedenen religiösen 
und sonstigen, das Gemeind.eleben betreffenden Fragen ein ent 
scheidendes Wort zu sprechen. Unter anderem war er bemüht, die 
Beziehungen zwischen den Rabbaniten und den Karäern, die ihre 
eigenen Gemeindeorganisationen in Kairo, Alexandrien, Damaskus 
und an anderen Orten besaßen, in geordnete Bahnen zu lenken. So 
empfiehlt er in einem seiner Rundschreiben, mit den Karäern, inso 
fern auch diese auf gutnachbarliche Beziehungen Wert legen, in 
Frieden und Eintracht zu leben: er gestattet, mit ihnen zu verkehren, 
ihnen aus Anlaß fröhlicher oder trauriger Familienereignisse zu gra 
tulieren oder die Teilnahme zu bekunden und ihnen sogar bei Be 
schneidung und Bestattung behilflich zu sein; verwehrt sei es nur, 
meint er, die Karäer zu den Andachten zuzulassen, da sie die Auto 
rität jener talmudischen Gesetzeslehrer, die die gottesdienstliche Ord 
nung festgesetzt hatten, nicht gelten ließen. 
Der Liberalismus des Maimonides konnte natürlich den Altgläubi 
gen nicht Zusagen, und so erstanden ihm nach dem Bekanntwerden 
seines klassischen Kodex „Mischne-Thora“ und namentlich des 
„Führers“ auch in Ägypten ebenso erbitterte Gegner, wie es 
der Gaon Samuel ben Ali in Bagdad und eine ganze Reihe 
hochangesehener Rabbiner in Europa waren. Besonderen Anstoß 
erregte das Freidenkertum des Maimonides bei dem aus der 
Provence stammenden Dajan der Gemeinde von Alexandrien 
Pinechas ben Meschullam. Gleich anderen warf er Maimonides vor, 
dieser hätte durch seinen Kodex den Talmud verdrängen wollen, 
während dessen Studium schon an und für sich eine religiöse Ver 
pflichtung sei. Andererseits fehlte es dem großen Denker, wie er 
wähnt, auch nicht an begeisterten Bewunderern und treuergebenen 
Jüngern. Unter diesen ragte der ebenfalls vor der Religionsnot in 
Maghreb nach Ägypten geflüchtete Joseph ibn Aknin besonders her 
vor, ein Arzt, Mathematiker und Philosoph, der für die Verbreitung 
der religionsphilosophischen Ideen seines Meisters vornehmlich in 
Aleppo und Damaskus wirkte, wohin er aus Ägypten weiter gezogen 
war. Die Bekanntschaft des Maimonides suchten sogar die berühm 
testen arabischen Theologen jener Zeit, so Abdallatif aus Bagdad, 
der eigens dazu nach Kairo gekommen war.
	        
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