Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Morgenland im Zeitalter der Kreuzzüge 
462 
Kampf und führte schließlich zu der Begründung einer neuen Dy 
nastie, die das bis dahin in Afrika und Spanien gebietende Herr 
scherhaus der Almoraviden aus seinen Machtpositionen verdrängte. In 
ihrem Kampf für den Sieg des rechten Glaubens legten d,ie Almo- 
haden eine viel größere Konsequenz als ihre Vorgänger an den Tag. 
Nachdem der Almohadenherrscher Abdulmumin in dem Gebiete von 
Marokko und Fez festen Fuß gefaßt hatte (n3o—n63), stellte 
er Juden wie Christen vor die gleiche Wahl: entweder das Dogma 
der „Einzigkeit* ‘ Gottes und der prophetischen Mission Mohammeds 
vorbehaltlos anzuerkennen oder das Land zu verlassen 1 ). Viele Ju 
den wanderten darauf nach Spanien und in andere Länder aus, wäh 
rend manche von ihnen, denen das Einheitsdogma der Almohaden 
nur eine Abwandlung der urjüdischen Gottesauffassung zu sein 
schien, sich dazu entschlossen, zum Scheine auch Mohammed als 
Propheten gelten zu lassen. Die Muselmanen begnügten sich in der 
Regel mit diesem formellen Lippenbekenntnis, und die „Neubekehr 
ten“ konnten in ihrer* Häuslichkeit auch fernerhin dem angestamm 
ten Gesetz gemäß leben. Desungeachtet fühlten sich die Juden durch 
die ihnen aufgezwungene Doppelzüngigkeit schwer bedrückt, um so 
mehr, als sie an manchen Orten dem Gottesdienst in den Moscheen bei 
wohnen mußten. Die Synagogen waren geschlossen, und auf das öffent 
liche Bekenntnis des Judaismus stand die Todesstrafe. So bildete sich 
eine ganze Schicht von „Anussim“, von durch den islamitischen Fa 
natismus „Vergewaltigten“. Hingegen war freiwilliger Abfall vom 
Judentum nur eine seltene Ausnahmeerscheinung. Einen solchen Aus 
nahmefall stellt der Übertritt des in Babylonien ausgebildeten marok 
kanischen Gelehrten Samuel ihn Abbas dar. Im Jahre ii63 erklärte 
er nämlich, daß ihm Mohammed selbst in einer Vision erschienen 
sei, um ihn auf den wahren Weg zu weisen. Samuel stellte die Be 
hauptung auf, daß die Juden die Thora Esras und nicht die des 
Moses besäßen und daß sie von den Talmudgelehrten eigenmächtig 
aufgestellte Gesetze befolgten. In seiner arabisch abgefaßten Streit 
schrift: „Bloßstellung der Judäer“ („Ifham al Jahud“) bemühte er 
sich, zu beweisen, daß Jesus und Mohammed das jüdische Gesetz durch 
D Der muselmanische Chronist gibt auch aus diesem Anlaß die traditionelle 
Begründung wieder, wonach die Anerkennung der prophetischen Mission Moham 
meds auf Grund eines Versprechens verlangt wurde, das die Juden angeblich dem 
Propheten selbst einst gegeben hätten (s. oben, § 42, Anm.).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.