Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Alte und neue Kolonien 
tinopeler Kirchen, von den Vorführungen im Zirkus oder auf dem 
Hippodrom, von dem in der Stadt herrschenden regen Handelsver 
kehr, der Kaufleute aus aller Herren Ländern herbeilockt, von 
ihrem Glanz und Reichtum. Die jüdische Gemeinde von Konstantino 
pel zählte zweitausend Mitglieder und war von der Gemeinde der 
Karäer (fünfhundert Mitglieder) „durch eine Mauer getrennt“. Beide 
Gemeinden waren wiederum von der griechischen Bevölkerung iso 
liert, da sie außerhalb der Stadt in dem Vorort Pera „jenseits der 
Sophienbucht“ angesiedelt waren und ihre Mitglieder das Stadt 
innere nur auf dem Wasserwege erreichen konnten. Der rabbaniti 
schen Gemeinde stand ein fünfgliedriges Kollegium vor, das sich 
aus dem Rabbiner, dem „Paraas“ und, drei „Roschim“ zusammien- 
setzte. Unter den Juden gab es nicht wenige Seidenkleiderfabrikanten 
und auch sonst viele wohlhabende Kaufleute, doch untersagte ihnen 
das Landesgesetz, ihren Reichtum zur Schau zu tragen. So war den 
Juden z. B. das Reiten auf Rossen verboten, und die einzige Aus 
nahme von dieser Regel wurde nur für den kaiserlichen Leibarzt 
Salomo den Ägypter gemacht. Diesem einflußreichen Hofmanne hat 
ten seine Stammesgenossen nicht wenig zu verdanken, da sie durch 
seine Vermittlung manchmal eine Milderung der geltenden Aus 
nahmebestimmungen zu erwirken und sich; durch ihn auch Schutz 
gegen die griechischen Übergriffe zu verschaffen vermochten. Die 
Griechen waren nämlich, wie der Reisende bezeugt, den Juden über 
aus feindselig gesinnt und pflegten sie in jeder Weise zu bedrücken, 
zu belästigen, sowie zu schwerer Arbeit zu zwingen. Besonders gei 
ferten gegen die Juden, wohl aus wirtschaftlicher Mißgunst, die 
griechischen Gerber, die keinen Anstand nahmen, die Abwässer aus 
ihren Werkstätten vor die jüdischen Häuser zu gießen. Desungeachtet 
vermochten die Juden zu großem Reichtum zu gelangen und in frei 
gebigster Weise Mildtätigkeit zu üben, „den Galuth aber lassen sie — 
wie Benjamin sagt — in aller Demut über sich ergehen“. Bedeutende 
Gemeinden fand der Reisende auch noch in Rodosto (vierhundert 
Mitglieder) und in Gallipoli (zweihundert) sowie auf den griechi 
schen Inseln Mytilene, Chjos, Samos und Rhodos vor. Überdies lernte 
er jüdische Gemeinden auf Gypern kennen, darunter eine aus „ket 
zerischen“ Sektierern bestehende, die den Sabbat nicht am Freitag 
abend, sondern erst am Samstagabend beginnen ließen. 
Aus alledem ist zu ersehen, daß die Juden um jene Zeit am we-
	        
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