Alte und neue Kolonien
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so daß dort zur Zeit weder Juden noch Angehörige anderer Nationen
anzutreffen sind. Von hier sind es nur noch anderthalb Tagereisen
bis nach Tarent, das schon in der Provinz Calabrien liegt. Die große
Stadt ist von Griechen bewohnt, in deren Mitte jedoch auch etwaj
dreihundert Juden leben. An der Spitze der Gemeinde stehen die
Gelehrten: Rabbi Mali, Rabbi Nathan und Rabbi Israel. Nach einer
weiteren Tagereise sieht man sich in der Hafenstadt Brindisi, wo etwa
zehn Juden, die als Färber tätig sind, ihren Wohnsitz haben. Scheut
man nicht die Mühe von zwei weiteren Tagereisen, so erreicht man
das an der Küste des Griechischen Meeres gelegene Otranto; an der
Spitze der dortigen, etwa fünfhundert * Juden zählenden Gemeinde
stehen Rabbi Menachem, Rabbi Kaleb, Rabbi Meir und Rabi Mali
Von dort kommt man auf dem Wasserwege in zwei Tagen nach der
Insel Korfu, wo nur ein einziger Jude namens Joseph ansässig ist
Hier ist das Königreich Sizilien zu Ende“.
I Auf seinem Wege nach dem Orient, der den jüdischen Reisenden
von der süditalienischen Küste aus direkt nach Byzanz führte, be
rührte er zunächst die Insel Sizilien nicht und besuchte sie erst auf
seinem vom ägyptischen Alexandrien aus nach Europa eingeschlage
nen Rückwege. Er weilte hier in den zwei großen Städten Messina
und Palermo. In Messina, dessen Hafen von den nach Jerusalem
ziehenden Wallfahrern gleichfalls häufig benutzt zu werden pflegte,
fand Benjamin eine zweihundert Familien umfassende jüdische Ge
meinde vor, während er in der Inselhauptstadt Palermo die größte
aller von ihm in Italien besuchten jüdischen Gemeinden kennen 1
lernte, die nicht weniger als fünfzehnhundert Mitglieder zählte. Die
mitten in einer getreide- und obstreichen Gegend gelegene, von „Edo-
mitern und Ismaelitern“ (Christen und Muselmanen) dicht bevöl
kerte Stadt mit ihren prächtigen Palästen der normannischen Herr
scher, ihren Fischteichen und sonstigen Sehenswürdigkeiten machte
auf den jüdischen Reisenden den stärksten Eindruck. Indessen be
standen auf der Insel jüdische Gemeinden um jene Zeit nicht allein
in den zwei von Benjamin besuchten Hafenstädten, sondern, wie aus
den damaligen amtlichen Urkunden zu ersehen ist, auch in manch
anderer sizilianischen Stadt, so in Syrakus, in Trapani, in Marsala,
in Catania.
Unter der Normannenherrschaft galten die Juden ebenso wie die
von ihnen bewohnten Viertel („Judeca“), wie schon erwähnt, als