Alte und neue Kolonien
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Normannenherrschaft (§ 19) behauptete sich bis zum Ausgang des
XII. Jahrhunderts und nahm erst ein Ende, als der deutsche Kaiser
Heinrich VI. Süditalien eroberte (1194), um es der Herrschaft der
Hohenstaufen zu unterwerfen. Die normannischen Herren Süditaliens,
die das auf der Leibeigenschaft beruhende Lehenssystem dorthin
verpflanzt hatten, förderten in ihrem Machtbereich zugleich die Ent
faltung von Handel und Industrie. Den drei Gruppen der Landes
bevölkerung: den Griechen, Juden und Arabern wurde daher der
weiteste Spielraum für eine freie Betätigung gelassen. Obwohl der
Herzog Roger II. (1127—1154) aus politischen Erwägungen seine
Vasallenabhängigkeit von Rom formell anerkannte und den ihm von
dem Papst Anaklet II. verliehenen Königstitel nicht verschmähte, un
terließ er es jedoch, in seinem Königreiche den kirchlichen Aspira
tionen Vorschub zu leisten, was bei der Buntscheckigkeit der Lan
desbevölkerung in nationaler und religiöser Hinsicht auch wohl
kaum möglich gewesen wäre. Die Städte Apuliens und Siziliens ge
langten unter Roger zu hoher Blüte und wurden zu bedeutenden
Mittelpunkten des wirtschaftlichen und geistigen Lebens. Amalfiund
Palermo wetteiferten mit den nördlichen Hafenstädten Venedig und
Genua; Salerno war durch seine Hochschule für Medizin berühmt,
Neapel und Amalfi durch ihre juristischen Hochschulen. Der leb
hafte Verkehr mit dem Orient, insbesondere mit den am nächsten
gelegenen Hafenstädten Nordafrikas, förderte die Entfaltung der
verschiedensten Gewerbe. So wurde zusammen mit dem weißen Maul
beerbaum aus dem Orient auch die Seidenraupenzucht nach Süditalien
verpflanzt, die vornehmlich von den Griechen und Juden betrieben
wurde. Überhaupt nahm die zahlreiche und rührige jüdische Be
völkerung im Leben des Landes einen ansehnlichen Platz ein. Ben u
jamin Tudela, der sich aus Rom weiter nach Süditalien begab, schil
dert die dortigen jüdischen Gemeinden in folgender Weise:
„Von dort (von Rom) aus sind es vier Tagereisen bis Capua,
einer großen Provinzhauptstadt; es leben daselbst etwa dreihundert
Juden (Familien), darunter auch im Lande überaus angesehene
Persönlichkeiten, wie der Älteste Rabbi Gonpasso, sein Bruder Rabbi
Samuel, Rabbi Saken und der Rabbiner David, der den Titel eines
„Principale“ führt . . . Die Stadt Neapel ist sehr stark befestigt,
an der Meeresküste gelegen und von Griechen erbaut; es leben dort
etwa fünfhundert Juden, darunter Rabbi Hiskia, Rabbi Schalom,