Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 52. Die Gemeinden Süditaliens und Siziliens 
laß in die Stadt gewährt hätten. In der Kapelle des heiligen Johann 
im Lateran ständen die beiden Erzsäulen aus dem Salomonischen 
Tempel, die sich alljährlich, am Tage des 9. Ab, mit Schweiß be 
deckten. Daselbst würden auch in einer Höhle die von Titus aus dem 
Jerusalemer Tempel entwendeten Weihgeräte aufbewahrt. In einer 
anderen Höhle am Tiberufer wären die Gebeine der zehn auf Befehl 
des Kaisers Hadrian hingerichteten jüdischen Märtyrer begraben. Den 
Volkssagen, denen der Reisende auf seinen Wanderungen durch die 
Straßen und Plätze Roms andächtig lauschte, kommt freilich nur ein 
dichterischer Wert zu, um so wichtiger ist aber für die Kenntnis der 
wahren Lage der jüdischen Gemeinden in Italien das wenige, was 
er als Augenzeuge darüber zu berichten weiß. Vor allem erfahren 
wir, daß die italienischen Stadtrepubliken im XII. Jahrhundert nur 
eine sehr spärliche jüdische Bevölkerung aufzuweisen hatten. Genua 
scheinen die jüdischen Kaufleute aus Marseille und den anderen süd- 
französischen Häfen nur zu geschäftlichen Zwecken aufgesucht zu 
haben, ohne sich dort niederzulassen, wohl aus dem Grunde, weil die 
Stadteinwohner keine Handelskonkurrenten in ihrer Mitte dulden 
wollten. Im ersten Jahrhundert der Kreuzzüge gelangte nämlich 
Genua neben Pisa und Venedig zu hohem Wohlstand, weil diese drei 
Hafenstädte an der Beförderung der Kreuzfahrer nach Asien und an 
der zollfreien Einfuhr von morgenländischen Waren sehr viel ver 
dienten, und so waren sie nicht geneigt, ihren Gewinn mit den unter 
nehmungslustigen Juden zu teilen. Was aber Rom anlangt, so ist 
die von dem Reisenden angegebene Zahl der dortigen jüdischen Ein 
wohner (zweihundert Gemeindemitglieder oder Familienhäupter) kei 
neswegs als gering zu erachten. Die römische Gemeinde machte auf 
Benjamin einen überaus erfreulichen Eindruck: er fand dort wohl 
habende und zum Teil auch einflußreiche, unter dem unmittelbaren 
Schutz des „Hauptes der Kirche Edoms“ stehende Männer vor, und 
die innere Organisation der Gemeinde mit ihren Notabein, ihrem, 
Rabbinat und der Talmudschule mußte diesen günstigen Eindruck 
noch erhöhen. 
§ 52. Die Gemeinden Süditaliens und Siziliens 
Eine zahlreiche, in kompakten Massen lebende jüdische Bevölke 
rung wies in dieser Epoche, wie schon vor den Kreuzzügen, Süd 
italien: Apulien, Calabrien und Sizilien, auf. Die hier begründete 
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