Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

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§ 4. Das römische Gallien und die Westgoten 
tung der Statthalter des heidnischen Rom lebten in Gallien die ein 
heimischen Kelten, die Römer, Griechen und Juden friedlich neben 
einander; erst mit der Verbreitung des Christentums kommt es hier 
und da zu Reibungen. Im Jahre 177, in der Regierungszeit des Marc 
Aurel, fielen die ersten Märtyrer aus der Mitte der Christengemeinde 
von Lyon von der Hand der Heiden. In der folgenden Epoche fand 
indessen das Christentum immer weitere Verbreitung, so daß im 
IV. Jahrhundert die Rollen bereits vertauscht waren: die offizielle 
Religion Roms, das Christentum, drängt nunmehr den Paganismus 
in die Defensive und geht selbst zum Angriff über. Mit dem Bei 
stand der weltlichen Gewalt wirkt in Gallien eine ganze .Armee von 
Missionaren, Mönchen und Bischöfen für die Verbreitung des Chri 
stentums. Zugleich kommt es zu einer Spaltung innerhalb der Macht 
organisation selbst: der Bischof regiert jetzt ebenso uneingeschränkt 
in seinem kirchlichen Bezirke (Diözese) wie der römische Präfekt in 
seiner Provinz (Civitas), ohne sich dabei um die Schranken der geist 
lichen Gewalt zu kümmern. Der von der Geistlichkeit ausgeübte 
Druck ruft an manchen Orten Rebellionen unter der Bevölkerung 
hervor, an denen sich manchmal auch die Juden beteiligen. So 
schloß sich z. B. im Jahre 390 eine große Schar von Juden einem 
Aufstande an, der unter den Einheimischen gegen den Bischof Ste 
phanus in Avignon ausgebrochen war. 
Die von kirchlichen Tendenzen beherrschte römisch-byzantinische 
Gesetzgebung wird nach und nach auch auf Gallien ausgedehnt. Im 
Jahre 4^5 erhielt der Präfekt von Gallien, Amatius, die Anweisung, 
sich streng an das bekannte, den Juden und Heiden die Bekleidung 
von Gerichts- und Verwaltungsämtern jeder Art verwehrende Dekret 
der Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. zu halten, und zwar 
mit folgender Begründung: „Wir wünschen nicht, daß im christ-^ 
liehen Gesetz lebende Menschen den Juden unterstellt seien und unter 
dem Einfluß ihrer Obrigkeit die Ausübung ihrer religiösen Pflich 
ten vernachlässigen“. Bald war jedoch der Quell der gesetzgebenden 
Gewalt in Rom versiegt: die westliche Hälfte stand am Rande des 
Verderbens; das durch die Invasion der Goten und Vandalen zwei 
mal verheerte Rom vermochte nicht mehr, seinem Willen in den Pro 
vinzen Nachdruck zu verleihen. Inzwischen wurde Gallien selbst von 
den Neuankömmlingen, den Goten, Franken und Burgundern über 
flutet, die im Laufe des V. Jahrhunderts sich immer mehr mit der
	        
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