Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 3. Italien unter den Ostgoten und Langobarden 
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Die in bezug auf den Sklavenbesitz bestehenden Rechtsbeschrän 
kungen verursachten den Juden ungeheuren wirtschaftlichen Scha 
den. Sie kauften nämlich um jene Zeit die Sklaven nicht nur zum 
Weiterverkauf, sondern pflegten sie auch als Arbeitskräfte auf ihren 
eigenen oder den von ihnen gepachteten Gütern zu gebrauchen. Daß 
sich die Juden damals landwirtschaftlich betätigten, wissen wir eben 
falls aus dem Briefwechsel Gregors I., da die Juden, die er, wie er 
wähnt, durch Verheißung materieller Vorteile für das Christentum 
zu gewinnen empfahl, gerade sizilianische Kolonen waren, die auf 
der Kirche gehörenden Latifundien lebten und denen im Falle der 
Taufe der Erlaß eines Drittels oder Viertels des Pachtzinses in Aus 
sicht gestellt werden sollte. Solcher Landwirte gab es sicherlich nicht 
wenige auch in anderen Gegenden Italiens. Schon bald nach dem 
Einfall des Alarich begegnete der heidnische Dichter gallischer Ab 
stammung Rutilius Namatianus auf seiner Reise durch Italien auf 
der Insel Faleria einem jüdischen Farmer, der das Mißfallen des 
judenfeindlichen Poeten dadurch erregte, daß er sich um seinen am 
Ufer eines Teiches gelegenen prächtigen Garten allzu besorgt zeigte, 
als in diesen eine ausgelassene fröhliche Gesellschaft eingedrungen 
war. Die Begegnung mit dem unfreundlichen Gartenbesitzer löste bei 
Rutilius einen ganzen Schwarm von Gedanken über den gesamten 
„garstigen Stamm“ der Juden aus, der sich zu einer „lauen Religion“ 
bekenne, an dem „schamlosen“ Beschneidungsritus festhalte und „einen 
der sieben Wochentage gleich seinem abgespannten Gotte in Müßig 
gang zubringe“. Das Judentum wie das Christentum als die Haupt 
ursachen des Verderbens des antiken Rom in gleicher Weise ver 
dammend, bringt Namatianus sein Bedauern darüber zum Ausdruck, 
daß Rom seinerzeit Judäa in seinen Herrschaftsbereich einbezogen 
und so den Juden den Weg nach Italien gebahnt hätte. „0 wäre doch 
— so ruft er (in dem Poem ,De reditu suo‘) aus — Judäa nie von 
den Kriegern des Pompe jus und von den Waffen des Titus nieder 
gerungen worden! Von ihrer Wurzel gelöst, verbreitet sich die Pest; 
unaufhaltsam, und so drückt die bezwungene Nation ihre Bezwinger 
nieder (victoresque suos natio victa premit)“. Die letzte Wendung 
erinnert unmittelbar an den gleichfalls auf die Juden gemünzten 
Ausruf des Seneca, der von Besiegten sprach, „die den Siegern ihre 
Gesetze aufgezwungen“ hätten (Band II, § 95). In diesem Falle 
wurde freilich die Entrüstung des Autors mehr durch den Triumph
	        
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