Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Die Juden Spaniens im XII. Jahrhundert 
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muß auf dem Trockenen liegen“. Gleich Abraham ihn Esra, brachte 
auch Alcharisi viele Jahre seines Lebens auf Reisen zu. Er reiste durch 
Ägypten, Palästina, Syrien und Babylonien und weilte in den be 
deutendsten jüdischen Zentren dieser Länder: in Alexandrien, Da 
maskus, Aleppo, Mossul und Bagdad. Auch das nach der Vertreibung 
der Kreuzfahrer zu neuem Leben erwachte jüdische Jerusalem durfte 
er mit eigenen Augen sehen (1218). In dem Werke „Tachkemoni“, 
das seine Reiseeindrücke widerspiegelt, sind überall Bemerkungen über 
die in diesem oder jenem Lande hervorsprießenden jungen Triebe 
der Literatur und namentlich der Poesie verstreut, indessen ist seine 
Kritik überaus herb. Obwohl nur ein Nachzügler des goldenen Zeit 
alters der hebräischen Poesie in Spanien, überragte Alcharisi dennoch 
die dilettantischen Reimschmiede der anderen Länder, die sich nur 
in der Nachahmung der sephardischen Vorbilder gefielen. 
§ 46. Nationale und universale Philosophie 
Im XI. Jahrhundert steht der erste jüdische Philosoph im ara 
bischen Spanien, Ibn Gabirol, in dem Bezirk des philosophischen 
Denkens ebenso einsam da, wie seinerzeit Philo in Alexandrien oder 
Saadia im östlichen Kalifat. Mit dem XII. Jahrhundert bricht jedoch 
auch in dieser Region des Geistes eine Zeit noch nie dagewesener Reg 
samkeit an: fast alle oben erwähnten Dichter sind zugleich Schöpfer 
mehr oder weniger origineller religionsphilosophischer Systeme. Die 
Personalunion von Poesie und Philosophie, wie sie in Gabirol ver 
körpert gewesen war, ersteht zu neuem Leben in Jehuda Halevi und 
den beiden Ibn Esra. Es kehrt auch der äußere Unterschied der For 
men wieder, in denen diese beiden Schaffensarten ihren Ausdruck 
gefunden hatten: dieselben Autoren kleiden ihre poetischen Schöp 
fungen in das Gewand der nationalen Sprache, während sie ihre phi 
losophischen Abhandlungen fast ausnahmslos in arabischer Sprache 
abfassen. Dies läßt sich nicht allein durch Beweggründe technischer 
Art erklären, etwa dadurch, daß die damalige Weltverkehrssprache, 
das Arabische, sich für die Wiedergabe wissenschaftlicher und philo 
sophischer Begriffe besser als das Hebräische eignete, sondern hat 
seinen letzten Grund darin, daß die philosophische Geistesströmung 
innerhalb des Judentums jener Zeit aufs innigste mit einer gleich- 
gearteten Bewegung verbunden war, die im XII. Jahrhundert unter
	        
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