Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 3. Italien unter den Ostgoten und Langobarden 
sehen Kämpfen stehenden Gewalt besonders lebhaft empfunden, und 
so mußte die weströmische Kirche, die sich damals im Gegensatz zu 
der byzantinischen noch nicht in das Netz der politischen Leiden 
schaften verstrickt hatte, als für diese Rolle besonders geeignet er 
scheinen. Der rangälteste Bischof von Rom, der angebliche Statthal 
ter Petri, tat sich schon in den Jahrhunderten der Italien zerflei 
schenden Wirren nicht selten als Friedensvermittler zwischen den 
sich befehdenden politischen Mächten hervor. Die ersten römischen 
Päpste verstanden es meistens, sogar den Andersgläubigen, so auch 
den Juden gegenüber, eine durchaus gemäßigte Politik zu treiben 
und unterließen es, die Herrscher und die christlichen Massen gegen 
sie aufzuhetzen. Zwar bekundeten die Päpste einen großen Eifer bei 
der Entfaltung ihrer Missionstätigkeit unter den Bekennern des Alten 
Testaments, doch traten sie ,nie für die gewaltsame Taufe der Juden 
in Italien ein; sie wachten nur mit aller Sorgfalt darüber, daß die 
jüdische religiöse Propaganda nicht ihrerseits unter den von ihnen 
Betreuten, die in den Kirchendogmen noch durchaus nicht unbeirr 
bar waren, Eingang finde. Ein charakteristischer Repräsentant dieser 
römischen Hohepriester der ersten Periode des Papsttums war Papst 
Gregor I. der Große (590—6o4), dessen Wirksamkeit in die Zeit 
fällt, die unmittelbar auf die Aufteilung Italiens unter die Byzan 
tiner und Langobarden folgte. 
In seinen zahlreichen Hirtenbriefen streifte Gregor I. gar oft 
die „jüdische Frage“, und so kann maji auf Grund dieser Send 
schreiben eine ziemlich genaue Vorstellung von den sozialen Verhält 
nissen der Juden im damaligen Italien gewinnen. Die Stellung der 
Juden innerhalb des christlichen Staates umschreibt dieser Begrün 
der der päpstlichen Gewalt mit folgenden Worten: „Ebenso wie es 
nicht geboten erscheint, den Juden in ihren Gemeinden (in synagogis 
suis) das Hinausgehen über die Grenze des vom Gesetze Eingeräum 
ten zu gestatten, so soll man auch die ihnen bereits eingeräumten 
Rechte nicht schmälern 1 ) . . . Wir verbieten es, die Juden der be 
stehenden Ordnung zuwider zu belasten und zu bedrängen, und ge- 
f) Diesen einleitenden Satz des Sendschreibens Gregors I. pflegte man in 
späterer Zeit an die Spitze aller von den Päpsten zugunsten der Juden erlassenen 
Bullen zu stellen. Daher auch die Bezeichnung dieser Bullen: „Sicut non“ (den 
Anfangsworten der Formel entsprechend: „Sicut Judaeis non deheant esse licentia 
in synagogis suis“ etc.).
	        
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