Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

§ 37. Die Folgen der Kreuzzüge in Deutschland 
die ihnen verschiedene Selbstverwaltung und Gerichtsbarkeit betref 
fende Freiheiten verbrieften. In der zweiten Hälfte des XII. Jahrhun 
derts wurde Prag zum geistigen Mittelpunkt der böhmischen Judenheit 
und zählte bereits einige rabbinische Größen. 
Die nach dem ersten Kreuzzug aus Böhmen nach Ungarn geflüch 
teten Juden fanden hier alteingesessene Stammesgenossen vor, die 
sich im Lande noch vor seiner Christianisierung niedergelassen hatten. 
Mit dem Erstarken der neuen Religion ging die katholische Geistlich 
keit darauf aus, allerlei kirchliche Vorschriften und Regeln einzu 
führen, um die Stellung der Juden in der magyarischen Umwelt fest 
zu umgrenzen. Eine von geistlichen und weltlichen Würdenträgern zu 
Szaboles abgehaltene Kirchenversammlung (1092) untersagte den 
Juden, christliche Sklaven zu besitzen (wodurch die Juden aus der 
Landwirtschaft verdrängt wurden), sich mit Christen zu verschwägern 
und an christlichen Feiertagen Arbeit zu verrichten. Ebenso wie in 
anderen Ländern schritt auch hier der Prozeß der Absperrung der 
Judenheit sowohl auf wirtschaftlichem wie auf den übrigen Lebens 
gebieten unaufhaltsam weiter. Daß sich die Handelstätigkeit in die 
sem auf dem Wege von Europa nach Asien gelegenen Lande inzwi 
schen bedeutend entfaltet hatte, ist aus einem von dem ungarischen 
König Koloman (1095—1114) erlassenen Gesetz zu ersehen, das spe 
ziell den jüdischen Handel und namentlich die von den Juden durch 
geführten Kreditoperationen betraf. Unter anderem schrieb dieses Ge 
setz vor, daß bei Schlichtung von wegen eines Gelddarlehens zwischen 
einem Juden und einem Christen entstandenen Rechtsstreitigkeiten 
den beiden Religionen angehörende Zeugen vernommen werden soll 
ten. Während des Durchzuges der ersten Kreuzfahrerbanden durch 
Ungarn vereitelte der König Koloman jeden Versuch antijüdischer 
Ausschreitungen. Als die Überreste jener Rotten, die im Jahre 1096 
das Blutbad in den jüdischen Gemeinden am Rhein angerichtet hat 
ten, in Ungarn auf tauchten und auch hier ihr Unwesen zu treiben 
begannen, ließ sie der König wie gewöhnliche Räuber vernichten. 
Darum waren denn auch die Magyaren in Westeuropa als „Heiden“ 
und „Juden“ verschrieen. Ebenso wie in Deutschland bildeten sich 
auch hier jüdische Gemeinden vornehmlich in den Bischöfen unter 
stellten Städten: in Ofen, Preßburg, Tyrnau usw. So lag es im per 
sönlichen Interesse der Kirchenfürsten, den ihnen tributpflichtigen 
Juden ihren Schutz nicht zu entziehen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.