Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (4, Europäische Periode ; Das frühere Mittelalter / 1926)

Das Zeitalter der Kreuzzüge in Mitteleuropa 
auf dem Marktplatze auf und trieben allerlei Spott mit ihr. Darauf 
drangen diese „Leute von Sodom“, wie der Chronist sich ausdrückt, 
in das Haus des Rabbiners ein, töteten ihn mitsamt acht anderen Ge 
meindemitgliedern und steckten die jüdischen Häuser in Brand. Der 
Rest der Speyerer Juden verbarrikadierte sich im Obergeschoß der Sy 
nagoge und hielt sich dort bis zum Anbruch der Nacht, um dann unter 
dem Schutze des Dunkels aus der Stadt zu fliehen. Die Mordbrenner 
legten die Synagoge in Asche, vernichteten die Thorarollen und die 
anderen heiligen Bücher und bemächtigten sich der Habe der Flücht 
linge. Der Speyerer Bischof rührte zum Schutze der Juden keinen 
Finger. Da bot der Bruder des Kaisers, Herzog Otto, nachdem er von 
den Juden eine beträchtliche Summe bezahlt bekommen hatte, ein 
Heer auf, umzingelte Speyer und gab die Umgegend der Stadt mit 
samt den bischöflichen Äckern und Weinbergen der Verwüstung preis. 
Der bald darauf aus Italien zurückgekehrte Kaiser Heinrich VI. ließ 
überdies alle Anstifter der Judenhetze festnehmen und zwang sie, den 
den Juden zugefügten Schaden voll zu ersetzen und die Synagoge so 
wie die anderen zerstörten Häuser auf eigene Kosten wieder aufzu 
bauen. Im Mai desselben Jahres, als Heinrich VI. Vorkehrungen zum 
vierten Kreuzzug nach Palästina traf, machten mehrere Kreuzfahrer 
banden erneut den Versuch, über die rheinländischen Juden ein Blut 
gericht abzuhalten. In Boppard erschlugen die Kreuzfahrer den Cha- 
san (Kantor) der dortigen Synagoge und noch sieben Juden. Herzog 
Otto und der Kaiser unterdrückten jedoch mit raschem Zugriff die 
ausgebrochenen Unruhen, indem sie die Anstifter exemplarisch be 
strafen ließen, so daß die Vorbereitungen für den neuen Feldzug ohne 
schwerere Folgen für die rheinländischen Juden zu Ende gingen. 
Der kaiserliche Schutz reichte indessen nicht immer dazu aus, die 
Juden vor den Wutausbrüchen der Menge und der Eigenmächtigkeit 
der Ortsbehörden zu bewahren. Im Jahre 1187 geschah es in dem in 
der Nähe von Köln gelegenen Neuß, daß ein christliches Mädchen von 
einem tobsüchtigen Juden am hellichten Tage erstochen wurde. Die 
wutentbrannten Christen ergriffen hierauf nicht nur den unzurech 
nungsfähigen Täter, sondern auch sechs andere Mitglieder der jüdi 
schen Gemeinde und ließen sie einen martervollen Tod sterben, indem 
sie sie aufs Rad flochten. An dem darauffolgenden Sabbat wurde auch 
noch die Mutter des geisteskranken Urhebers der Katastrophe sowie 
seine übrigen Angehörigen festgenommen; man versuchte die alte
	        
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